(Rinteln) Ein wenig futuristisch mutet er an, der Neuzugang im Fuhrpark der Fahrschule Radler. Ein Mercedes Benz Actros 1836 LKW steht ab sofort allen zur Verfügung, die den Führerschein der Klasse C/CE erwerben möchten. Als erstes fällt auf: Hier fehlen einige der großformatigen Außenspiegel, die man üblicherweise an LKW-Türen gewohnt ist. Stattdessen gibt es High Tech im Innenraum. Zwei große LCD-Monitore informieren den Fahrer über alles, was links, rechts und (teils) auch hinter dem 18,75 Meter langen Lastwagen samt Anhänger so los ist.
Zwei Ansichten pro Monitor werden gleichzeitig eingeblendet, der Kamerawinkel lässt sich verstellen. Eine farblich abgesetzte Linie zeigt an, wo das Gespann endet. Das ist sehr hilfreich beim Rückwärtsfahren und Rangieren an Laderampen. Drei weitere Linien zeigen die Mindestabstände, die hinterherfahrende Fahrzeuge einhalten müssen.
Fahrlehrer und Fahrschulinhaber Ingo Radler setzt sich ans Steuer des 360 PS starken Dieseltrucks und startet den Motor. Ohne klassischen Schlüssel, das geht heutzutage alles per Tastendruck. Der LKW im Wert von ca. 120.000 Euro ist gemeinsam mit der Fahrschule Schiwek in Rahden gekauft worden. Die beiden Unternehmen arbeiten bereits seit einem Vierteljahrhundert zusammen. Sanft schnurrend und schnaubend erwacht nicht nur das Triebwerk zum Leben, auch die beiden großflächigen Monitore füllen sich mit Inhalten. Auf dem ersten wird der Tacho samt Drehzahlmesser dargestellt – nur eben mit Pixeln statt echten Zeigern. Der Bildschirm daneben zeigt Navi, Radio, Menüs – alles, was man so braucht.
„Der LKW will gestreichelt werden“, schmunzelt Ingo, als er mit sanften Fingerbewegungen nach links, rechts, oben und unten die Menüpunkte auswählt und Einstellungen vornimmt. Smartphone-Bedienung auch im Lastwagen. An Assistenzsystemen mangelt es dem Actros wahrlich nicht. Um die Fülle von Abkürzungen auswendig zu lernen, müsste man locker ein Wochenendstudium absolvieren.
Der wohl interessanteste, digitale Helfer hört auf den Namen „PPC“ (Predictive Powertrain Control) und passt das Tempo automatisch der Topographie und dem Straßenverlauf an. Steigungen und Gefälle werden ebenso erkannt wie Kreisverkehre und Kreuzungen. Entsprechend fällt die Gangwahl aus. Der Assistent nimmt frühzeitig das Gas weg und nutzt die Masse des rollenden Gefährts zum Spritsparen. Aus der Berechnung erfolgt die Geschwindigkeitsempfehlung im Tacho, mit der ein Kreisel optimal durchfahren werden kann. Bei der Fahrt über Rintelner Straßen leisten die Abstandswarner und Totwinkel-Assistenten gute Hilfe. Sie erkennen Fahrzeuge oder Fußgänger seitlich neben dem Lastwagen und schlagen Alarm.
Nach einer ausgedehnten Probefahrt rollt der neue Radler-Truck wieder auf den Parkplatz. Man spürt – abgesehen von der hohen Sitzposition – kaum, in einem LKW zu sitzen. Der dritte Sitz in der Mitte der Fahrerkabine lässt erkennen, dass es sich hier um ein umgebautes Fahrschulfahrzeug handelt. So haben Prüfling, Prüfer und Fahrlehrer Platz. Und die Digitalisierung der LKW-Bedienung bietet noch einen weiteren Vorteil: Die Sichtprüfung sämtlicher Beleuchtungseinrichtungen und Lampen kann bequem per Schlüssel durchgeführt werden – die Funktion ist bereits einprogrammiert.
Für Fahrschüler steht also ab sofort ein echtes Stück High-Tech zur Verfügung. „Wir bieten übrigens sowohl Fort- als auch Weiterbildung sowie Perfektionstraining für Berufskraftfahrer an“, sagt Ingo Radler zum Abschluss, „und wir nehmen auch Bildungsgutscheine der Agentur für Arbeit an.“