Das Thema Inklusion an Rintelner Grundschulen beschäftigt derzeit die Politik. Neu ist es nicht. Der Niedersächsische Landtag hat die Einführung inklusiver Schulen bereits zum Schuljahr 2013/2014 beschlossen. Inklusion bedeutet, jeder Mensch gehört ganz natürlich dazu. Kinder mit und ohne Behinderung lernen zusammen in der gleichen Schule. Inklusion ist ein Menschenrecht, in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschrieben und von vielen Ländern, darunter Deutschland, vertraglich vereinbart.
Beim jüngsten Treffen der Stadtverwaltung mit den Schulleitern am 30. August diesen Jahres ist jedoch deutlich geworden: Die Fortschritte der Inklusion an Rintelner Grundschulen lassen noch zu wünschen übrig. Dabei sind laut Stadtverwaltung erhebliche Probleme mit Kindern, die emotional-soziale Auffälligkeiten zeigen, erkennbar. Innerhalb der Diskussionsrunde wurde jedoch auf die Zuständigkeit des Landes Niedersachsen sowie auf die des Jugendamtes des Landkreises Schaumburg verwiesen. Doch von den Zuständigen fühle man sich allein gelassen, hieß es vor einigen Tagen in einem Zeitungsartikel, indem sich die Schulleiterin der Grundschule Deckbergen, Claudia Buschke, den Medien gegenüber äußerte. So kam es zu einem Vorfall zwischen Drittklässlern aus dem Jugendhof Hirschkuppe in Steinbergen und einem Klassenkameraden. Es handelte sich um emotional-sozial auffällige Kinder, die auf spezialisierte, geschulte Betreuungskräfte angewiesen wären. Die Kinder seien zunächst entflohen und dann von der herbeigerufenen Polizei und Mitarbeitern der Hirschkuppe aufgefunden worden. Solche Situationen sind laut den Medienberichten Alltag an der Grundschule Deckbergen. Die Betreuung von über elf Kindern mit emotional-sozialen Auffälligkeiten, teils aus zerrütteten Familien, erfordere speziell geschulte Fachkräfte, heißt es. Dafür seien zusätzliche Stunden beantragt worden, doch nicht alle wurden genehmigt.
Auch die Grundschule Nord weiß von solchen Fällen zu berichten. So gebe es einem Zeitungsbericht zufolge laut Schulleiterin Julia Harting einen auffälligen und aggressiven Erstklässler, der trotz laufendem Antragsverfahren beim Landkreis seit zwei Jahren keinen Schulbegleiter bekommt. Im Februar diesen Jahres kam es an der Rintelner IGS zu einem Zwischenfall, bei dem ein 13-jähriges Mädchen verletzt und mit einem Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus gebracht wurde (wir berichteten). Der Verursacher, ein Schüler mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf, war zuvor bereits in der Grundschule mehrfach auffällig und aggressiv geworden, schmiss mit Stühlen um sich, schlug Schüler und Lehrer.
Für Heinrich Sasse (WGS), Mitglied im Ortsrat Deckbergen, ein Unding. Solche spezialisierten Betreuer kämen erst zum Einsatz, wenn das Jugendamt in einem Gutachten den Bedarf feststelle, sagt er. Und: „So eine Feststellung kann locker ein halbes Jahr dauern. Wir brauchen daher so etwas wie Feuerwehr-Schulsozialarbeiter, in Anlehnung an Feuerwehr-Lehrer. Die werden dann eingesetzt, wenn in den Schulen Not am Mann ist.“
Seitens der Schule habe man Schwierigkeiten, allen Kindern unter derzeitigen Bedingungen gerecht zu werden, äußerte sich Schulleiterin Harting in dem Artikel weiter. Die Lehrkräfte seien mit der Inklusion überfordert und könnten das alles nicht leisten.
In den Zeitungsberichten wird auch deutlich: Es mangelt an geeigneten Räumen für die Inklusion. Rückzugsmöglichkeiten für Schulbegleiter und emotional-sozial auffällige Kinder, geeignete Räumlichkeiten für Gespräche unter vier Augen, abseits vom Stress des Schulalltags – all das vermissen die Schulleiterinnen. Genau das soll laut Bürgermeister Thomas Priemer aufgegriffen werden: Eine Verbesserung der baulichen Situation. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Schulleitungen, des Baudezernates und Schulamts soll bis zum Jahresende eine Bestandsaufnahme in den Grundschulen vornehmen.
Priemer hat in einer Pressemeldung erklärt, er würde ungeachtet der Zuständigkeiten, welche bei der Stadt Rinteln lägen, kurzfristig Kontakt mit der Landesschulbehörde und dem Regionalzentrum Inklusion des Landkreises Schaumburg aufnehmen um zusätzliche sozialpädagogische Fachkräfte für die Rintelner Grundschulen einzufordern. Die Entscheidungen der Landesregierung, Sozialarbeiter im Zuge der Inklusion in die staatlichen Schulen zu bringen, müssten nun auch wahrnehmbar umgesetzt werden, so Priemer. Seit knapp einem Jahr würde zwar eine Sozialarbeiterin in den Grundschulen Nord und Süd eingesetzt, jedoch nicht in den anderen Grundschulen. Sie ist für 400 Schüler zuständig, für die anderen, knapp 500 Schüler, besteht jedoch derzeit kein sonderpädagogisches geschultes Fachpersonal.
Bei einem Gespräch, dass nach dem Kontakt der Schulleiterinnen mit den Medien stattfand, sei laut Priemer deutlich geworden, dass es an Schulbegleitern fehle. Viele Kinder seien im täglichen Schulablauf so stark gefordert, dass sie in der Schule eine Begleitung benötigten. „Beide Lehrkräfte beklagen das lange Verfahren, bis endlich ein Schulbegleiter für die Kinder eingesetzt wird. Wünschenswert wäre aus Sicht der Stadt Rinteln die Bereitstellung eines Pools an Schulbegleitern“, erklärt Priemer, „dazu bedarf es jedoch eines generell anderen Verfahrens. Indivuallösungen sind zeitlich zu aufwändig.“ Um die Vorstellung der Stadt Rinteln zeitnah umzusetzen, hat Priemer kurzfristig Gespräche mit dem Landkreis und der Landesschulbehörde angekündigt. In der nächsten Schulausschusssitzung soll das Thema ebenfalls mit auf die Tagesordnung.
Die SPD-Fraktion stellte unterdessen einen Antrag zur kommenden Ratssitzung am 28. September. Darin heißt es, die Stadtverwaltung soll mit der Erstellung eines Konzepts zur verbesserten Umsetzung der Inklusion an den Rintelner Grundschulen beauftragt werden. Die Schulgremien und der Behindertenbeirat sollen mit einbezogen werden. Für die Rintelner Grundschulen, so begründet Fraktionsvorsitzende Astrid Teigeler-Tegtmeier, ergeben sich mit der Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen Herausforderungen, die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht gerecht würden. Die Stadt Rinteln als Schulträger sei gefordert, allen Schülern und Lehrern eine Umgebung zur Verfügung zu stellen, die erfolgreiche Lernprozesse möglich mache.
Zumindest für die Lösung räumlicher Probleme hat die CDU Steinbergen-Deckbergen eine Lösung parat: „Da gibt es in Steinbergen eine leerstehende Schule, deren Räume man zweifelsfrei nutzen könnte“, schreibt Ortsratsmitglied Udo Schobeß in einem Kommentarbeitrag auf der „CDU OV“-Facebook-Seite, und unter anderem weiter „mein Vorschlag wäre: Nehmt die Schule in Steinbergen einfach wieder mit den Kindern der Hirschkuppe in Betrieb (immerhin sind das 11 Kinder).“
Heinrich Sasse schlägt unterdessen die Errichtung von speziellen Rückzugsräumen für emotional-sozial auffällige Kinder und ihre Schulbegleiter vor: „In Deckbergen haben wir nicht ausreichend Räume zum Austoben und Herunterkommen zur Verfügung. Dem müssen wir entgegensteuern.“ Bleibt die Frage nach dem „wie“? Auf die Schnelle hat der WGS-Politiker eine „etwas unkonventionelle Lösung“ parat, wie er sagt: „Man könne auch entsprechende Container auf dem Schulgelände als Räume aufstellen und nutzen.“ Mehr Räume, mehr speziell ausgebildete Fachkräfte – auf diesen gemeinsamen Nenner lässt dich die wesentliche Forderung aller Beteiligten zusammenfassen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht Jahre dauert, bis eine Entscheidung getroffen wird.