Es hat schon fast etwas meditatives, wenn Archäologe Joachim Schween mit seinem feinen Werkzeug Erdreste von den Keramikscherben kratzt. Die Frühlingssonne erwärmt die Luft und Landschaft in Kohlenstädt und Landwirte sorgen mit dem Austragen der Gülle auf die benachbarten Felder für das gewisse Etwas, das Großstädter so an der „würzigen Landluft“ schätzen.

Mitten auf dem Acker sind zwei große geometrische Flächen in die Landschaft gefräst. Zwei Rechtecke, jeweils etwa 50 x 30 Meter groß, daran angrenzend zwei große Kreise mit mehreren Metern messenden Radien. Hier sollen die beiden Windkraftanlagen vom Typ „Nordex N117/2400“ entstehen, gebaut von der 100-prozentigen Greenpeace-Tochter Planet Energy. Mit einer Höhe von jeweils 149,5 Metern und einer Gesamtleistung von 4,8 Megawatt sollen sie pro Jahr rund 9 Millionen Kilowattstunden an Strom erzeugen, was für 3.000 Haushalte ausreichend sein soll.

Hier befindet sich zur Zeit der Arbeitsplatz des eingangs erwähnten Archäologen aus Hameln. Auf rund 30 Zentimetern Tiefe hat der Baggerfahrer hier das Terrain abgezogen. Joachim Schween war dabei und hat das Erdreich und dessen Verfärbungen beobachtet. „Das ist wichtig, weil man nur im unmittelbaren Zeitraum um das Entfernen der Erde erkennen kann, ob sich hier archäologisch relevante Fundstellen befinden“, erklärt er, „scheint die Sonne erst längere Zeit drauf, oder regnet es, dann sind die Spuren weg.“



Auf größere Überraschungen ist Schween nicht gestoßen, dafür auf Tonscherben und verbrannte Menschenknochen. „Es handelt sich mit größter Wahrscheinlichkeit um ein Brandgrubengrab der vorrömischen Eisenzeit, wohl aus dem 3. bis 1. Jahrhundert vor Christus. Die jüngere Forschung spricht auch vom ´Scheiterhaufengrab´“, erklärt er seinen Fund. Demnach wurde der Verstorbene an Ort und Stelle verbrannt.
„Was man davon heute noch findet, sind die untersten Überreste dieser Verbrennung – die aus Holzkohle und verbrannten Knochenpartikeln („Leichenbrand“) und Gefäßscherben bestehen.“, weiß der Archäologe, der seinen Fund genau kartiert, fotografiert und präzise vermisst. Die Archäologie ist wie ein riesengroßes Puzzle mit schier unendlich vielen Teilen. Aus ihnen setzen die Fachleute Mosaiksteine zusammen, die Rückschlüsse auf vergangenen Zeiten zulassen. Hier ist es die Besiedlungsgeschichte des Wesertals. So resümiert Schween: „Auf den beiden großen Windparkflächen gibt es nur die Reste dieses einen Grabes, also nichts was auf weitere Bewohnung oder Besiedlung hindeuten würde.“

Ob man im Gebiet dieser sogenannten „Weserterrassen“ fündig wird, lässt sich immer schwer vorhersagen. 2009, so Schween, sind im bis zu 3,50 Meter mächtigen Auelehm beim Kieswerk in Engern neun Steine mit der Inschrift „CLZH“ aus dem Jahr 1711 gefunden worden. Die Initialen stehen für „Carl Landgraf Zu Hessen-Kassel“, die Steine könnten als Erinnerung für Bauwerke aus der Schifffahrt einstiger Zeit angelegt worden sein.

Und was ist mit dem rotbraunen Stück Rohr, was aus der Erde ragt? Dabei handelt es sich um ein Stück tönernes Drainagerohr. Damit die Felder und Ackerflächen nach ergiebigem Regen nicht überschwemmt werden, hat man ein unterirdisches Rohrsystem angelegt, das zum Ableiten des Wassers dient. Das wiederum ist nicht antik, sondern rund 100 Jahre alt, schätzt Schween.
Das Thema Windkraftanlagen in Kohlenstädt wird den Rat der Stadt Rinteln in seiner nächsten Sitzung am 6. April weiter beschäftigen. Nachdem, wie bereits berichtet, die Stadt ihr Einvernehmen zum Bau versagt hat und der Landkreises dieses Einvernehmen ersetzte, werden die Ratsmitglieder jetzt darüber entscheiden müssen, ob die Stadt Rinteln den Landkreis Schaumburg verklagt.
Auch zwischen der Stadtverwaltung und dem Investor Planet Energy knirscht es: Um die Baustellen mit schweren Baumaschinen, Kränen und LKW erreichen zu können, müsste der bestehende Feldweg auf eine Breite von 4,50 Metern ausgebaut werden. Für die Unterhaltung während der Errichtung der Windräder sollte die Planet Energy Windpark Rinteln GmbH verantwortlich sein. Im Umkehrschluss, so heißt es in der Sachdarstellung der Verwaltung, müsse die Stadt Rinteln demnach für die Zeit danach (ca. 28 Jahre) für den Unterhalt des Weges Sorge tragen. Doch die Landschaft liegt im Überschwemmungsgebiet der Weser. Die tiefer liegende und mit einem Gefälle versehene Zufahrt könnte bei Hochwasser unterspült oder abgeschwemmt werden. Die erforderliche Rohrverlegung in den Seitengräben mache die Wartung und Instandhaltung schwieriger als bei offenen Gräben, heißt es. Seitens der Stadtverwaltung betont man ausdrücklich, man wolle keinen Vorteil aus dem Wegeausbau und dem Abwälzen der Unterhaltungskosten auf Planet Energy ziehen. Andererseits will man aber auch keine Unterhaltungsmaßnahmen bezahlen müssen, die nicht im Interesse der Stadt Rinteln liegen, zumal kein Nutzen daraus für die Stadt selbst entsteht. Auch über die Zuständigkeit herrscht Uneinigkeit. Die Stadt verweist darauf, dass es einen Ratsbeschluss über den Abschluss eines Erschließungsvertrags geben muss. Bei Planet Energy, so heißt es in der Sachdarstellung der Verwaltung, argumentiere man, es handelte sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung. Insofern sei kein Ratsbeschluss nötig. Die vollständige Beschlussvorlage ist unter diesem Link nachzulesen: KLICK.