Mit einer ausgedehnten abendlichen Stadtführung durch Rintelns Altstadt startete die Saison der Stadtführungen am vergangenen Freitag.
Sechs von acht historisch gekleideten Darstellern der Gruppe „Viva Historia“ entführten rund 80 Gäste ins Rinteln der Jahre 1450 bis 1850. Mit humorvollen Einlagen gespickte Anekdoten aus längst vergangenen Tagen fesselte die kurzweilige Tour durch das Licht- und Schattenreich der Geschichte von der Weserstraße bis zur St. Nikolai Kirche und dem Geheimnis der Gräber auf dem Kirchplatz.
Von Seidenfaden bis zum Henker
So erfuhren die Teilnehmer etwas über Johann Heinrich Seidenfaden, der, aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen und eine Lehre beim Flickschuster hinter sich gelassen, sich aufs vermeintlich erfolgreichere Geschäft des Stehlens verlagerte. Wegen eines eskalierten Streits bei der Beuteverteilung inhaftiert, floh er aus dem Gefängnis und wurde Jahre später im Hafen von Surinam wiedererkannt und nach Rinteln zurückgebracht. Seine Hinrichtung am 6.2.1837 am Heinekamp war die letzte Öffentliche ihrer Art in der Umgebung.
Doch bei der Stadtführung unter dem Motto „Engel, Lumpen, Totengräber“ ging es nicht nur um die Verbrecher. Auch die „Hübschlerinnen“, Frauen, deren Dienste nur „unverheiratete“ Männer und Soldaten gegen Bezahlung in Anspruch nahmen, waren ein Thema.
Unehrenhafte Berufe gab es zuhauf
Die Zuschauer erfuhren auch, dass das Viertel Rintelns von der Stadtmauer bis zur Kirche das am dichtesten besiedelte Gebiet der Stadt war. Auch die Herrengasse, einst schmal und heute weit, hat eine interessante Vergangenheit. In ihr wohnten all die Vertreter der „unehrenhaften“ Berufe. Dazu gehörten Kuh- und Schweinehirten, Polizisten, aber auch der Henker. Dessen Frau Anna wusste auch aus der bewegten Vergangenheit ihres Gatten zu berichten. Im roten Mantel unterwegs, war er keineswegs nur für die Exekutionen zuständig, sondern auch für Folter verschiedener Grade und als Totengräber für all diejenigen, die ihrem Leben selbst ein Ende bereiteten.
Die Saison der Stadtführungen 2015 ist eröffnet.
Gesellschaftlich hatte der Henker ein schweres Los. Im Wirtshaus musste er an einem extra Tisch Platz nehmen und sein Bier aus einem Krug ohne Deckel trinken. Auch in der Kirche gab es für ihn einen eigenen Platz, ganz hinten an der Mauer. Dieser Beruf galt als unrein, von daher mochte auch niemand einen Henker berühren – wusste die Frau des Henkers zu berichten. Henker wurde man durch Vererbung vom Vater auf den Sohn. Die Kinder übten ihre Fertigkeiten am Zerschneiden eines Kohlkopfes. Gelang das sauber und mit einem Schwerthieb, so folgte eine Ausbildung bei einem Soldaten, dann beim eigenen Vater und einem anderen Meister. Der Abschluss fand in der Meisterprüfung statt: Eine fachgerechte Hinrichtung mit dem Schwert musste bewiesen werden, ehe man sich „Henker“ nennen durfte.
Wir wollen hier nicht den kompletten Inhalt der Stadtführung verraten sondern geben eine klare Empfehlung: Lassen Sie sich selbst einmal überraschen, es lohnt sich. Neben den regulären Führungen findet gegen Ende September wieder eine umfangreiche Michaelis-Führung unter dem Motto „Heilige, Hexen, Licht-Gestalten“ statt.
Weitere Informationen zum Thema Stadtführungen erhalten Sie unter http://www.westliches-weserbergland.de/de/stadtfuehrungen/