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„Beton-Gigantomanie“ durchs Weserbergland? Umstrittener Gesetzesentwurf und ICE-Neubautrasse in der Diskussion

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(Rinteln/Landkreis) Kommt die Bahn-Neubautrasse mit Tunneln und Talbrücken? Oder schlängelt sie sich oberirdisch durchs Weserbergland? Und wenn ja, wie ist der Eingriff in die Natur mit den Zielen des Deutschland-Taktes zu rechtfertigen und der dahinter verbundenen Absicht, mit dem Zug in einer halben Stunde von Bielefeld bis nach Hannover fahren zu können?

Anlässlich des im Raum stehenden Neubaus einer Hochgeschwindigkeits-Bahntrasse durch die Region luden die Linken-Kreisverbände Schaumburg und Hameln-Pyrmont am Mittwochabend zu einer Podiumsdiskussion ein. Durch die Veranstaltung führten Metin Duygu und Felix Mönkemeyer, als Gäste waren der städtische Direktor Dr. Joachim Steinbeck aus Rinteln eingeladen, darüber hinaus Dr. Bernhard Knierim (Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Linken-Bundestagsabgeordneten Sabine Leidig), sowie Thomas Rippke (Sprecher der „BIGTAB“ / Bürgerinitiative gegen den trassenfernen Ausbau der Bahn in Bückeburg/Minden/Porta Westfalica) und Hendrik Steg (Vorsitzender der Bürgerinitiative BI-Auetal).

Von links: Metin Duygu (Linke), Thomas Rippke (BIGTAB-Sprecher), Hendrik Steg (Vorsitzender der BI-Auetal), Dr. Joachim Steinbeck (Stadt Rinteln), Dr. Bernhard Knierim (Bahn-Experte der Linken), Felix Mönkemeyer (Linke).

Bereits mehrfach geisterten verschiedene Pläne einer möglichen Streckenführung durch die Medienlandschaft, dazu gab es auch vom parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann bislang keine eindeutige Stellungnahme. Es kristallisierte sich aber ein möglicher Streckenverlauf entlang der Autobahn 2 heraus. Im ersten Quartal diesen Jahres sei mit dem Entwurf einer Streckenführung zu rechnen, so die Angaben bislang. Auf der Ratssitzung im November vergangenen Jahres berichtete dann Rintelns Bürgermeister Thomas Priemer von einem Besuch Schaumburger Verwaltungschefs, der wenige Wochen zuvor im Bundesverkehrsministerium stattfand. Die Essenz damals: Aufgrund der bergigen Landschaft sei eine „durchgängige oberirdische Führung entlang der A 2 nicht möglich“. Eine Tunnellösung wurde daher als wahrscheinlich angesehen, allein daher, weil die Strecke nachts auch für den Güterverkehr genutzt werden solle und dieser besondere Anforderungen an maximale Steigungen besäße. Dr. Steinbeck bekräftigte, an den Aussagen von damals habe sich nichts geändert, da bislang auch keine weiteren Informationen vorlägen, sicherte den Bürgerinitiativen aber die volle Unterstützung durch die Stadt zu.

Dr. Bernhard Knierim (Linke, rechts) erklärte die Anforderungen der Bahnstrecke, damit ICE-Züge mit 300 Stundenkilometern auf ihr verkehren können.

Damit das Ziel des Deutschland-Taktes erreicht werden könne, so Dr. Bernhard Knierim, wäre allerdings eine Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge von 240 Stundenkilometern nötig. Diese sei wohl in Japan und Frankreich zu erreichen, in Flächenländern wie Deutschland aber schwierig umzusetzen. Ferner sei bei einem Takt von 30 Minuten zwischen Bielefeld und Hannover „alles auf Kante geplant“. Bedeutet also: Selbst die kleinste Verzögerung wäre für die Einhaltung des Fahrplans fatal.

Als ebenso fatal (wenn nicht als noch fataler) stellten sich für viele auch die Auswirkungen des neuen „Maßnahmegesetzvorbereitungsgesetzes“ (kurz MgvG) heraus, das bereits am 31. Januar diesen Jahres im Eilverfahren vom Bundestag verabschiedet werden soll. Es dient gewissermaßen der Schaffung von Baurecht per Gesetz. Während Befürworter darin eine Beschleunigung von Großbauprojekten wie Stromtrassen oder Bahnstrecken sehen, fürchten Gegner einen faktischen Abbau der Demokratie und Bürgerbeteiligung. Statt langwieriger Planverfahren und Klagemöglichkeiten würde man die Bürger künftig von Großbauvorhaben nur noch in Kenntnis setzen.

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Ratsmitglied Dr. Gert-Armin Neuhäuser äußerte sich als Zuhörer und sprach über die drastischen Folgen, die das neue Maßnahmegesetzvorbereitungsgesetz haben würde.

Für eine fachliche Stellungnahme zum Gesetzesentwurf blieben sieben Stunden Zeit

Die Folgen skizzierte Ratsmitglied Dr. Gert-Armin Neuhäuser, der als Zuhörer anwesend war. Per Gesetz würde dann festgelegt, dass bestimmte Projekte einfach gebaut werden: „Das Gesetz dient dazu, den Rechtsweg und das Umweltverbandsklagerecht einfach abzuschneiden.“ Und als Bürger könne man nicht gegen Gesetze klagen. Entsetzt war Neuhäuser auch über die kurze Anhörungsfrist, binnen derer Fachleute und der Verein Niedersächsicher Verwaltungsrichter Gelegenheit gehabt hätten, sich zum Gesetzesvorhaben zu äußern und eine fachliche Expertise abzugeben: „Wir hatten gerade einmal sieben Stunden Zeit.“

BI-Auetal-Vorsitzender Hendrik Steg fand klare Worte: „Wer an eine Tunnellösung fürs Auetal glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann!“

Angesichts der in manchen Zügen des Abends etwas detailverliebt und abgedriftet geführten Diskussion über „leise Güterzüge“, Achsabstände des neuen ICE 4 und möglichen Vorteilen für die Region durch die Sanierung von Bahnhöfen mahnte Neuhäuser dann auch an, die Veranstaltung sei „sinnentleert, wenn der Bau ohnehin schon beschlossen sei“ und man ohnehin nur noch auf Details Einfluss habe. Ein Tunnel käme „irgendwann“ auch wieder aus dem Berg heraus und der Lärm kommt „mit Macht“ mit. Insofern könne man auch das „Wasser austrinken und nach Hause gehen“. Ähnlich drastisch formulierte es auch Hendrik Steg. Die Kernaussagen: „Wer an eine Tunnellösung durchs Auetal glaubt, glaubt auch an den Weihnachtsmann. Das Tal wird zerschnitten. Wegen 6.500 Bewohnern des Auetals wird doch kein 20 Kilometer langer Tunnel gebaut. Das Projekt wird eine Beton-Gigantomanie.“

BIGTAB-Sprecher Thomas Rippke erklärte: Zuerst entstehe der Fahrplan des Deutschland-Taktes, dann werde die Streckenführung geplant.

Kritik am Projekt, allerdings auch positive Stimmen gab es aus den Reihen der rund 40 Zuhörer, die der Diskussion beiwohnten. Verschiedene Sorgen bewegen die Menschen: Von der zusätzlichen Lärmbelästigung durch nächtlichen Güterverkehr über den „Naturverschleiß für fünf Minuten mehr Zeit“, wie es eine Zuhörerin formulierte bis zur Entwicklungsblockade für Gewerbegebiete und Straßen der Gemeinden – weil man nicht wisse, welchen Verlauf die Trasse letztlich haben würde – reichten die Bedenken.

Dr. Joachim Steinbeck (Stadt Rinteln, 2.v.l.) sicherte den Bürgerinitiativen die Unterstützung zu.

Nach fast zweistündiger Diskussion ging die Veranstaltung im „Stadt Kassel“ zu Ende. Manch einer vermisste eine stärkere Beteiligung aus der Rintelner Politik, war zu hören. Auch das Interesse von Seiten der Bürger ließ für manchen zu wünschen übrig.

Demo am 18. Januar in Rehren geplant

Die Bürgerinitiative BI-Auetal lädt unterdessen am 18. Januar zur Demonstration gegen das Maßnahmegesetzvorbereitungsgesetz ein. Treffpunkt ist um 10:45 Uhr auf dem Parkplatz der Firma Tünnermann, Niedere Heide 5, in Rehren. Geplant ist ein Umzug zum Rathaus mit Kundgebung auf dem Rathaus-Vorplatz. Weitere Infos und der Link zur Online-Petition gegen das geplante Gesetz unter www.bi-auetal.de.

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