Anlässlich der Verabschiedung von Rintelns Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz ließ es sich Kreiskantor a.D. und Vorsitzender des Kulturrings, Wolfgang Westphal, nicht nehmen, den kompletten Brückentorsaal aufstehen zu lassen und eine saubere, in blitzschneller Zeit koordinierte Gesangseinlage mit dem gesamten Publikum aufzuführen:
„Kalle adé, Scheiden tut weh – Aber Dein Scheiden macht, dass mir mein Herze kracht.“ – tönte es von den Stühlen der Gäste. Es war einer von vielen heiteren und emotionalen Momenten am vergangenen Freitagabend, als der amtierende Bürgermeister und seine 17-jährige Amtszeit von zahlreichen Rednern retrospektiv beleuchtet wurden.
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Manchmal war vom „letzten Geleit“ die Rede, auch wenn Erster Stadtrat Jörg Schröder in seiner Eröffnungsansprache mit einem Augenzwinkern betonte, er glaube nicht, dass Karl-Heinz Buchholz das Gefühl habe, seiner eigenen Beerdigung beizuwohnen: „Dazu sieht er mir viel zu munter aus!“
Schröder schwenkte zu den Anfängen, spulte die Geschichte von Rinteln der Amtszeit von Buchholz verbal zurück und ließ immer wieder alte Aufnahmen aus den Archiven aufblitzen, unter anderem auch ein Foto vom Bürgermeister als Kind. Schröder kommentierte: „Schauen Sie mal genau hin: Die wachen Augen, die Frisur mit Seitenscheitel ähnlich, er trägt die Haare an den Seiten jetzt etwas länger. Aber ganz wichtig: Das Arbeitsgerät – Papier und Stift!“ Und mit Blick zu Buchholz: „Ich habe nirgendwo erfahren können, dass Du Dich irgendwann mal in größere handwerkliche Aktivitäten verrannt hättest. Holz sägen im Möllenbecker Wald, okay, aber der Baumarkttyp warst Du nie.“
Schröder ließ tief blicken, dass der Bürgermeister seinen Terminkalender seit einigen Jahren zwar tapfer auf dem Smartphone führe, er aber mit dem Gerät noch nicht so richtig zusammengewachsen sei: „Er weiß eine richtige, leicht staubig riechende Akte schon noch zu schätzen.“ Gleichzeitig habe er alle sehr früh, schon 1999, angetrieben, die Stadtverwaltung auf der Homepage der Stadt Rinteln, www.rinteln.de, zu präsentieren. Gleiches gilt für die Rinteln-App und die papierlose Ratsarbeit per iPad. Obwohl man ein wenig Rücksicht auf die Vorlieben des Chefs genommen habe, denn, so der Erste Stadtrat, „so richtig papierlos wird es bei uns dann doch erst Anfang November.“
Die Rede Schröders über „das kommunalpolitische Urgestein“ (O-Ton) sprach verschiedene markante Handlungsfelder der Laufbahn des Bürgermeisters an, mal war er beim Spatenstich zu den Bauarbeiten der Fußgängerzone zu sehen, dann ging es um die Umgestaltung des Weserangerbads, die Einweihung der Westumgehung 2001.
Auch das Stadtmarketing wollte Buchholz neu beleben, das Kamelfest zu Beginn seiner Amtszeit 1997 wurde dann aber doch nicht permanenter Bestandteil des Veranstaltungskalenders. Seinerzeit gab es die Frühjahrs- und Herbstmesse, das Altstadtfest sowie den Weihnachtsmarkt. Das war alles. Inzwischen haben die Termine im Jahresplan deutlich zugelegt, es wurden Veranstaltungen wie das Irish Folk Festival, der Ökomarkt, ein Felgenfest und die Weintag eingeführt.
Ob RI-Kennzeichen, Tourist-Info, Draisine oder Bürgerbüro. Viele der heute als selbstverständlich angesehenen Dinge in Rinteln sind erst in den vergangenen Jahren eingeführt und etabliert worden. Die Wiederwahl am 10.9.2006 mit 67,54 Prozent der Stimmen war ein echter Vertrauensbeweis, so Schröder, die Rintelner wollten ihren Bürgermeister behalten.
Und der machte weiter, wollte die Stadt zur Weser hin öffnen. Radwege und die Weserpromenade wurden gebaut, Investoren für das alte Bahnhofsgelände an der Bahnhofstraße gefunden. Der Kreisel beim LIDL und die Zufahrt waren von Anfang an als erstes Teilstück der Verbindungsstraße Nord geplant, die jetzt so langsam ihrer Fertigstellung engegengeht. „Die Einweihung dieser Straße musst Du aber wohl Thomas Priemer überlassen, den Rest kriegen die in der nächsten Woche wohl nicht mehr hin“, entgegnete Schröder, „Du gehst, Deine Mannschaft bleibt (…). Zudem ist die Nachfolge ja im wahrsten Sinne des Wortes „prima“ geregelt (…). Größere ideologische Differenzen hattest Du mit Thomas Priemer auch nicht auszufechten. Ihr benutzt ja sogar die gleichen Wahlplakatständer.
Landrat Jörg Farr, der angesichts des Redeumfangs von Schröders Eröffnungslaudatio seine Rede nach eigenen Angaben stark zusammengestrichen hatte, schloss sich den lobenden Worten an. Er lobte Rinteln als Anführer in der Liste der Gewerbesteuer-Einnahmen und zeigte Anerkennung für Institutionen wie das Bürgerbüro oder die KFZ-Zulassungsstelle: „Man soll nicht erst einen Tag Urlaub nehmen müssen, nur um sein Auto anzumelden.“ Ein Ass zog Farr noch aus dem Ärmel, als er Buchholz das erste Schild für das Naturschutzgebiet Hohenrode überreichte. Damit, so Farr, sei ein Wunsch des Bürgermeisters in Erfüllung gegangen.
Aufgelockert wurde der Abend durch eine gelungene Aufführung von Kindern der Extener Kindertagesstätte „Minni Max“. „Leben ist mehr als Ackern und Schuften, Leben ist mehr als Kohle und Kies“ erklang es von der Tribüne in Richtung des Bürgermeisters im Hinblick auf den wohlverdienten Ruhestand. Dabei präsentierten die Kinder verschiedene Berufe in passenden Kostümen, über allem schwebte das Arbeiten und Geldverdienen, mit dem ja jetzt Schluss ist. Zum Abschluss des Mini-Musicals bekam der scheidende Bürgermeister eine selbstgebastelte Bürgemeister-Kette von den Kindern geschenkt.
Die Feuerwehrkapelle Möllenbeck spielte in den Pausen und die Redner wechselten sich ab. Ulrich Mägde, Präsident des Niedersächsischen Städtetages, gab zu, dass auch bei ihm ein gewisser Wehmut mitschwingen würde. Mit einem Zitat von Martin Luther verabschiedete auch er sich und dankte dem „Bürgermeister aus Überzeugung“: „Wenn ein Bürgermeister seine Pflicht tut, werden kaum vier da sein, die ihn mögen.“
Auch Wojciech Ludwikowski, Vorsitzender des polnischen Städtepartnerschaftsvereins und Ex-Bürgermeister von Slawno, war mitsamt Dolmetscherin angereist um Buchholz seinen Dank für die tolle Zusammenarbeit zu überbringen und betonte, das nächste Mal sähe man sich in Slawno wieder.
Karl-Heinz Buchholz bedankte sich zum Abschluss bei allen Gästen, Rednern und Gratulanten und betonte, dies sei nun definitiv das letzte Mal dass er „hier oben“ stehe und spreche. Er habe noch nicht das Gefühl gehabt, an seiner eigenen Beerdigung teilzunehmen, aber das sei schon eine emotionale Achterbahnfahrt für ihn. Buchholz betonte, er habe sein Amt nach einem Kompass ausgerichtet. Sein Amtseid war ganz wichtig für ihn und die Orientierung an den drei großen V´s (Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit).
„Bürgermeister können Ideen haben“, bestätigte Buchholz, „sie bleiben aber immer Teil des Ganzen. Die von Jörg Schröder beschriebenen Veränderungen in dieser Stadt waren das Werk einer Mannschaft, die drei V´s auf ihrem Trikot hatte und deren Arbeit – zumindest mehrheitlich – vom Rat unserer Stadt getragen wurde!“
Als „Bürgermeister im emotionalen Ausnahmezustand“, gerührt und beeindruckt blickte Karl-Heinz Buchholz zum Publikum: „Sie sind heute Abend nur hier, weil ich gehe. Ich schaue von hier oben in viele vertraute Gesichter, die mich über die Jahre hinweg begleitet haben. Und das tut mir gut!“