Wenn es kracht oder brennt, sind sie Gott sei dank schnell zur Stelle, um zu helfen: Feuerwehren, Rettungsdienste, Polizei, Notärzte, Sanitäter. Je größer und schwerwiegender der Einsatz, desto mehr von ihnen finden sich an der Unfallstelle oder am Brandort ein. Verletzte müssen aus Fahrzeugwracks herausgeschnitten werden, Blutungen gestillt und versorgt, auch Wiederbelebungsmaßnahmen an Ort und Stelle durchgeführt werden. Jede Sekunde zählt und kann über Leben und Tod entscheiden. Trotz der Vielzahl an Personen vor Ort gilt es, koordiniert und besonnen zu handeln.
Gaffer sorgen regelmäßig für negative Schlagzeilen
Was Einsatzkräfte in diesem Moment nicht brauchen, sind Schaulustige. Doch das Gaffer-Phänomen macht vor kaum einem Verkehrsunfall oder Großereignis Halt. Regelmäßig sorgen Neugierige für negative Schlagzeilen, indem sie Rettungsarbeiten behindern, im Weg stehen oder – was sich zum traurigen Trend entwickelt – Fotos und Videos von Unfallstellen anfertigen. Sie verlangsamen ihre Fahrt, um mit ihren Smartphones fotografieren und filmen zu können. Sie verursachen auf Gegenfahrbahnen von Autobahnen Staus und schwere Unfälle, um einen Blick aufs Leid und den Schmerz anderer erhaschen zu können. Rintelns Ortsbrandmeister Thomas Blaue und einige der Gäste nahmen die jüngste Jahreshauptversammlung der Feuerwehr Rinteln daher zum Anlass, mit mahnenden und ernsten Worten auf das Problem mit den Gaffern hinzuweisen.
Gaffer an der Unfallstelle: „Da krieg ich Puls!“
So zum Beispiel Abend des ersten Weihnachtstags, als es in Westendorf zu einem schweren Verkehrsunfall kam. „Da liegt ein junger Mensch vor seinem Auto und wird reanimiert, und dann kommen Leute aus ihren Häusern und hangeln sich zur Unfallstelle durch, um zu sehen, was da los ist“, berichtete Blaue und ergänzte, dass er die Schaulustigen mehrfach darauf hinweisen musste, sich zurückzuziehen, „da krieg ich Puls!“. Einen weiteren Fall von Schaulustigen am Unfallort gab es beim tragischen Unglück im Juni vergangenen Jahres, als eine vierfache Mutter auf dem Gehweg an der Konrad-Adenauer-Straße von einem Auto erfasst und getötet wurde, so Blaue. Die Feuerwehr unterstützte Polizei und Rettungsdienst bei der Arbeit, regelte den Verkehr und schirmte die Unfallstelle ab. „Als die Filmvorführung im Kino auf der gegenüberliegenden Straßenseite endete, war plötzlich der ganze Kino-Vorplatz voll mit Gaffern“, erinnert sich Blaue mit Entsetzen und fügt hinzu, „alle wollten schauen, auch Kinder waren dabei!“
Auch der Kreisbrandmeister nahm sich des Themas an. Das Gaffen an Einsatzstellen scheine „in Mode zu kommen“, so Klaus-Peter Grote, der einen besonders dreisten Fall benannte, bei dem ein Busfahrer in Bückeburg von Gaffern angegangen worden war, da er aufgrund der Verkehrssituation im Stau stecken geblieben war und so den Gaffern die Sicht auf Löscharbeiten bei einem Großbrand versperrte. „Gaffer sind ein Phänomen, was den gesamten Blaulichtbereich betrifft“, befand auch Rintelns Polizeichef Wilfried Korte.
Straftat
Der Gesetzgeber hat das Fotografieren oder Filmen von verunglückten Autos und Verletzten unter Strafe gestellt und sieht Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren vor. Ob die Bilder veröffentlicht oder weitergegeben werden, ist egal. Allein das Anfertigen einer Aufnahme, die laut Strafgesetzbuch die Hilflosigkeit einer anderen Person zur Schau stellt, reicht. Die Handys und Kameras kann die Polizei dabei einkassieren. Fürs Gaffen als Ordnungswidrigkeit können Bußgelder in Höhe von bis zu 1.000 Euro verhängt werden.