(Rinteln) Ob alle an diesem Mittwochnachmittag nichts besseres zu tun hätten, fragte Hans Weimann lachend in die Runde.
Dabei waren sie alle wegen ihm hergekommen, in den renovierten Naturpavillon in der Klosterstraße, direkt neben dem Rathaus. Bei Rintelnern als „Schnittger-Pavillon“ in Erinnerung, entstanden hier bekanntermaßen Räume für NABU und Heimatbund. Letzterer veranstaltet eine beliebte Reihe, in der Rintelner Persönlichkeiten aus ihrem (Berufs)Leben plaudern und interessante Einblicke hinter die Kulissen geben: Das Erzählcafé.
Nun ist also Hans Weimann an der Reihe, etwas zu erzählen. Stoff hat er während seiner langjährigen Tätigkeit als Mitarbeiter der Schaumburger Zeitung auf jeden Fall angesammelt.
Hans Weimann genießt inzwischen den Ruhestand. Falls er nicht gerade wieder in die Tasten haut. Denn so ganz zur Ruhe kommen des Schreibers Finger nie. Oder wie es ein Besucher des Erzählcafés sinngemäß in Worte verpackte: Er freue sich, wenn Personalknappheit in der Zeitungsredaktion herrsche, dann bekäme man wieder etwas von Hans Weimann zu lesen.
Das Urgestein des Lokaljournalismus schaffte es jedoch auch, mit dem gesprochenen Wort zu erheitern und zu informieren. „Von nichts eine Ahnung, schreibt aber über alles“, so umriss Weimann das Berufsprofil. Der Journalist quetscht sein Gegenüber so lange mit Fragen aus, bis auch der Physikprofessor ein trockenes Thema für jeden verständlich erklärt. Dann wird es aufgeschrieben und kommuniziert. So stünde auch idealerweise auf dem Grabstein eines Journalisten auch „er hatte weiter keine Fragen“, scherzte Weimann.
Doch wie alles andere auch unterliegt der Lokaljournalismus einem ständigen Wandel. „Schützenfeste waren einst große Medienereignisse“, erinnerte Weihmann. Das habe sich inzwischen geändert. Unvergessen bleiben die Erinnerungen ans oft stundenlange Warten, bis der Schützenkönig ermittelt war und das ersehnte Foto geschossen werden konnte. Ein Zaun im Hintergrund half, falls die Protagonisten dann aufgrund der fortgeschrittenen Feierlichkeiten vielleicht nicht mehr so standsicher waren.
Für die Seriösität und Glaubwürdigkeit des Lokaljournalismus brach der alteingesessene Schreiber eine Lanze: „Zu 99 Prozent findet man dort überprüfbare Wahrheit.“ Der Grund ist klar: Hier hat der Verfasser einen direkten Bezug und örtliche Nähe zu seinen Lesern, Kritik kommt möglicherweise also ungefiltert und direkt beim nächsten Spaziergang beim Schreiber an.
Anekdoten aus vielen Jahrzehnten der Redaktionsarbeit konnte Hans Weimann mit Leichtigkeit aus dem Ärmel schütteln: Qiw der damalige Bürgermeister Fred Hoppe mit seiner Ente beim Britischen Militärhospital vorfuhr und ungläubiges Stirnrunzeln bei den Militärkräften auslöste, beispielsweise. Oder warum die britischen Streitkräfte bei ihren Panzermanövern querfeldein fuhren, dabei Ackerflächen ramponierten und bei den Landwirten dennoch gern gesehen waren („..die haben den angerichteten Schaden direkt bei den Landwirten in bar beglichen..“). Oder wie ein Foto, das die Wildecker Herzbuben und den Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz zeigte, für einen Anruf eines Rechtsanwalts sorgte. Oder wer wusste vom Werdegang des späteren „Spiegel“-Chefredakteurs Georg Moscolo, der sein Volontariat einst bei der Schaumburger Zeitung absolvierte.
Das waren noch Zeiten: ALDI-Ansiedlung ohne Grundstück eingefädelt
Weimann gab auch Geschichten zum Besten, die in der heutigen Zeit wohl nicht mehr denkbar wären. Etwa, wie Rintelns Verwaltungschefs es schafften, das ALDI-Zentrallager ins Industriegebiet zu holen, obwohl ein Neubau in Porta Westfalica vorgesehen war. Sie sicherten den ALDI-Bossen zu, man könne in einem halben Jahr mit dem Bau loslegen, während man in Porta noch weitaus länger für eine Baugenehmigung warten müsste. Als die Verhandlungen beendet waren, verließen Bürgermeister Hoppe und Stadtdirektor Büthe den Ratskeller und waren erst einmal ratlos: Den ALDI-Deal hatte man zwar eingetütet, doch „wir haben ja noch nicht einmal die benötigten Grundstücke“, entfuhr es den Beteiligten.
Die Zeiten waren anders, was man auch an pragmatischen Entscheidungen festmachen konnte. Zum Beispiel der Waldkindergarten. Bürgermeister Buchholz sprach beim Kultusministerium in Hannover vor und wurde abgebügelt. Kurzerhand wurde aus der Waldkita ein Pilotprojekt – mit durchschlagendem Erfolg, wie man heute weiß.
Doch auch die Arbeitsweise des Lokaljournalismus hat sich geändert. Pressefotos in Kindergärten und bei Schulveranstaltungen sind eine hochsensible Angelegenheit geworden – und das obwohl Eltern ihre Sprösslinge teils fleißig bei WhatsApp und in den sozialen Netzwerken hochladen. Und dann ist da die Kostenseite, die nicht zu vernachlässigen ist. Gestiegene Papierpreise, Druck- und Vertriebskosten machen es dem Wirtschaftsunternehmen Zeitung immer schwerer.
Dennoch sei die Bindung der gedruckten Zeitung an ihre Leser stärker als im Internet, stellte Weimann fest. Eine spontane Stichprobe bestätigte dies. Auf die Frage, wer seine Zeitung noch in klassischer Papierform lese, hoben fast alle Erzählcafé-Besucher die Hand, begleitet von einem Murmeln aus den Publikumsreihen: „Das gehört bei mir zum Frühstück einfach dazu.“
(vu)