(Rinteln) Eine zusätzliche Veranstaltung für die Kommunalpolitik zum Thema Bahn-Neubautrasse Hannover-Bielefeld sollte es werden, die auf eine Forderung von Rintelns Bürgermeisterin Andrea Lange zurückgegangen ist. Als Fazit des Info-Abends in der Aula des Gymnasiums am Mittwoch lässt sich schlussfolgern: Viel Bekanntes, kaum Neues.
Bahn-Vertreter erscheinen unpünktlich zu eigenem Termin
Die interessanteste Schlagzeile lieferte die Bahn selbst. Punkt 17 Uhr standen Vertreter der Rintelner Politik am Mittwoch in der gähnend leeren Aula. Nach Präsentation sah es nicht aus, vielmehr waren die beiden Mitarbeiter der DB InfraGo AG gar nicht anwesend und weder Beamer noch ausreichend Stühle waren aufgebaut. „Na, wohl mit der Bahn gefahren?“, raunte es aus den Reihen der Kommunalpolitik, als Volker Vorwerk und Marvin Jekel mit rund halbstündiger Verzögerung eintrafen. Tatsächlich steckten sie jedoch auf der Autobahn im Stau fest.
Bürgermeisterin: „Unglücklicher kann so ein Termin nicht anfangen“
Was folgte, war eine Art „Hörspiel“, wie es aus den Reihen der Anwesenden gedeutet wurde. Unklarheit herrschte darüber, ob und wer die Technik für eine Bahn-Präsentation hätte aufbauen sollen und wer bei der Beauftragung wem hätte Bescheid geben müssen. „Unglücklicher kann so ein Termin nicht anfangen“, kritisierte die Bürgermeisterin die Startschwierigkeiten. Kritik von der Verwaltungschefin hagelte es im Anschluss auch für die „inakzeptable“ Form der Bekanntmachung der 12 Trassenvarianten, die im August diesen Jahres per E-Mail die Runde machte (wir berichteten). Die Varianten bedeuteten enorme Einschnitte in Natur und Landschaft der Region, daher erwarte sie, dass Rinteln auch als Ort für Infoveranstaltungen berücksichtigt werde. Lange bat die Bahn-Vertreter, „auf bereits bekannte Worthülsen bei der Beantwortung der Fragen zu verzichten“ und „Wiederholungen zu vermeiden“ und „nachvollziehbare Antworten“ zu geben. Verbesserung des Schienenpersonenverkehrs zwischen Hannover und dem Ruhrgebiet, Entflechtung des Nah-, Güter- und Fernverkehrs zum Erreichen der Klimaziele – dazu bekenne man sich, so Lange. Die Vorgehensweise müsse aber unbedingt transparent und nachvollziehbar sein, forderte sie. Der Nutzen für die Allgemeinheit und die Belastung der Einzelnen müssten angemessen berücksichtigt werden.
Planer versuchen, zu beruhigen
Die Art der Kommunikation verteidigte Planer Volker Vorwerk mit dem Argument, man habe bewusst alle Beteiligten gleichzeitig informieren wollen. Aus den Teilnehmerreihen war allerdings zu entnehmen, dass die angekündigte Postwurfsendung für Bürger wohl längst nicht in allen Briefkästen gelandet war. Rinteln, so Vorwerk, werde von vielen der möglichen Trassenverläufe nicht berührt. Konkret seien dies die Varianten 5 bis 7 und teilweise Nummer 8 im „nördlichsten Zipfel“ mit einem Tunnel, sowie – am stärksten – die Varianten 9 und 12, die mit einer großen Eisenbahnbrücke am Doktorsee entlang verlaufen würden. Ziel sei es, bis Ende 2025 die Varianten auf einige wenige, die Rede war von zwei bis vier, zu reduzieren und dann genauere Untersuchungen und Bohrungen vorzunehmen. Ein Projekt dieser Größenordnung macht nur langsame Fortschritte, das wurde aus den Schilderungen von Vorwerk und Jekel deutlich. Darüber hinaus, das betonten alle auch am Dienstag immer wieder, sei man lediglich für die Ausführungen der Planungen beauftragt und könne keinerlei Einfluss darauf nehmen.
Nachdem es Ende 2025 nur noch wenige Varianten geben soll, beginnt die Planung mit einem höheren Detailgrad und die sogenannte parlamentarische Befassung im Bundestag. Zu diesem Zeitpunkt dürfte der Kalender nach groben Schätzungen etwa das Jahr 2030 anzeigen. Es folgt die Entwurfs- und Genehmigungsplanung, das Planfeststellungsverfahren und weitere Verwaltungsakte, bevor der erste Spatenstich erfolgen kann. Aussagen auf dem Info-Markt am Vortag war zu entnehmen, dass nach heutigem Stand der Dinge und sofern alles optimal läuft, frühestens in rund 20 Jahren der erste Zug über die neue Trasse rollen würde.
Doch was wäre, wenn die genannten 31 Minuten Taktzeit von Bielefeld bis Hannover in der Zukunft gar nicht mehr das Maß der Dinge wären, wurde aus der Kommunalpolitik gefragt. Zudem würden die vorhandenen Bahnstrecken „verkommen“ und auf der anderen Seite würde so ein Megaprojekt geplant. Man wolle die vorhandene Infrastruktur ertüchtigen, hieß es. Außerdem: Wenn man heute nicht anfängt zu planen, würde man in Zukunft nicht bauen können, so die Planer. Auch, dass der Ort Möllenbeck möglicherweise von einer Umgehungsstraße auf der einen Seite und von einer Bahntrasse auf der anderen Seite „eingekesselt“ werden würde, schien den Planern bewusst zu sein. Allerdings ließen sie durchblicken, dass wohl kein Straßenbau geplant sei – trotz der Aufnahme des „Autobahnzubringers“, wie Ortsbürgermeister Thorsten Frühmark die Umgehung nannte, in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans. „Da war nicht nur wenig Fleisch am Knochen, es war nicht mal ein Knochen da“, rügte man aus den Reihen der Lokalpolitiker den aus ihrer Sicht dünnen Informationsgehalt des Abends.
Nur wenig tröstlich erschien die Aussicht, es könne ja durchaus vorkommen, dass aus Reihen der Bevölkerung die Anregung für eine Trassenvariante gemacht würde, die das Team aus Ingenieuren und Planern noch nicht auf dem Schirm gehabt hat. Theoretisch ist das möglich und die Planer stehen Anregungen offen gegenüber, sofern sie die Vorgaben an den „Deutschland-Takt“ erfüllen. Diese drei Eckpunkte lauten: Der Zug muss eine Geschwindigkeit von 300 km/h fahren können, die Taktzeit zwischen den Bahnhöfen Hannover und Bielefeld darf maximal 31 Minuten betragen und die Strecke darf maximal eine Steigung von 8 Promille aufweisen. Das bedeutet, dass der Höhenunterschied auf 1.000 Meter Bahnstrecke allerhöchstens acht Meter betragen darf. Sonst gibt es Probleme mit dem Güterverkehr. Der soll bekanntlich nachts rollen, erstmals mit festen Fahrplanzeiten und nicht mehr so, wie es gerade passt. Die Physik ist übrigens „schuld“ daran, dass sich die Strecke nicht einfach durch die Landschaft schlängeln kann, sondern möglichst gerade verlaufen muss: Laut Bahn-Berechnungen benötigt ein ICE einen Kurvenradius von 4,3 Kilometern, um bei Tempo 300 einen 90-Grad-Bogen zu fahren.
Bahn-Planer erklären, wieso ein Ausbau der Bestandsstrecke nicht in Frage kommt
Auch zum viel diskutierten Thema des Bestandsausbaus äußerten sich die beiden Bahn-Planer. So gebe es Trassenvarianten, die auf rund 20 Kilometern Länge von Lindhorst über Stadthagen bis Bückeburg entlang der bestehenden Bahnlinie verlaufen würden, doch „überall geht es nicht“, da die vorgegebenen Ziele mit einem Ausbau der Bestandsstrecke nicht erreicht werden könnten. So sei der Bogen, den die Strecke bei Minden nehmen würde, sehr eng und könne mit höchstens 100 Stundenkilometern befahren werden. Wollte man etwas an der Streckenführung ändern, müsste man die Zielvorgaben ändern. Im Moment gilt eine Taktung von 48 Minuten für die Strecke Hannover-Bielefeld. Würde man die Bestandsstrecke optimieren und ausbauen, wären „vielleicht“ 42 Minuten machbar, so die Planer. Jegliche Einflussnahme auf die Planungen und Streckenverläufe, so ist diesen Aussagen zu entnehmen, müsste demnach im Bundesverkehrsministerium stattfinden. Denn wenn die 31 Minuten nicht mehr in Stein gemeißelt wären, so die Hoffnung vieler, ließe sich möglicherweise ein Streckenverlauf finden, der für die Region nicht solch gravierende Auswirkungen hätte.