Beim Fototermin in der Rintelner Bahnhofsunterführung kommt zufällig eine Familie vorbei und passiert den Tunnel, um zu den Bahngleisen zu gelangen.
„Luft anhalten“, ruft der Vater. Schnell huschen die Drei vorbei, die Treppe rauf. Eine Szene, wie sie sich tagtäglich abspielt. Neben dem beißenden Uringestank schreckt die Unterführung durch ihren desaströsen Zustand ab. Großflächig fehlen Fliesen, Verkleidungsteile sind abgerissen, blanke Wände sorgen für blankes Entsetzen bei jedem, der hier vorbeikommt. Doch Vandalismus ist das nicht.
Im April waren die Fliesen entfernt worden um eine sogenannte Brückenbauwerksprüfung durchzuführen. Seitdem sieht die auch ursprünglich nicht attraktive Unterführung noch schlimmer aus. Auf Anfrage teilte eine Sprecherin der Deutschen Bahn mit, dass erst nach Abschluss der Prüfung und Vorliegen des Ergebnisses über das weitere Vorgehen entschieden werden könne: „Dies wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Und weiter: „Die Erkenntnisse aus dieser Prüfung werden auch genutzt, um daraus Folgerungen für die Modernisierung des Bahnhofs Rinteln abzuleiten. Bis dahin ist eine Veränderung nicht geplant.“
Auf unseren Hinweis, die Unterführung würde als Urinal benutzt, entgegnete die Bahnsprecherin, dieses Problem wiederhole sich leider an vielen Stationen. Eine gesellschaftlich veränderte Norm spiegele sich wider, in der ein allgemein gültiger Wertemaßstab als verbindliche Regel immer häufiger missachtet wird. Der Einbau einer Videoüberwachung sei aber nicht vorgesehen.
Wie im Dezember 2014 bekanntgegeben wurde, sollen im Zuge eines Sanierungsprogramms über 2 Millionen Euro in den Rintelner Bahnhof investiert werden (wir berichteten). Darunter fallen auch die Erneuerung der Unterführung und der Bau zweier Aufzüge. Die Modernisierung wird gemeinsam mit dem Land Niedersachsen, vertreten durch die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), vorgenommen. Über Art, Umfang und Realisierungszeitraum konnten seitens der Bahn noch keine Angaben gemacht werden. Insgesamt 44 Bahnstationen sollen bis 2025 erneuert werden.
Bürgermeister Thomas Priemer bestätigt, der Zustand sei „eine Katastrophe“, man habe seitens der Stadtverwaltung aber keine rechtlichen Mittel gegenüber dem Eigentümer der Unterführung. Man könne die Deutsche Bahn nur höflich, aber bestimmt auf den Missstand aufmerksam machen. Das will Priemer auch tun, ein Brief ist bereits aufgesetzt: „Ich war erschrocken, das ist doch kein Stil, die Unterführung nach den Prüfungsarbeiten so zu hinterlassen!“. Ein Zustand, der noch Jahre andauern könnte, denn die Renovierung und Sanierung des Bahnhofs kann dauern. „Unseren Informationen nach wird dies frühestens 2018 passieren“, sagte der Bürgermeister, „durchaus auch später.“ Im Zeitplan lasse sich die Bahn nicht in die Karten schauen, eine Zusammenarbeit gestalte sich schwierig.
Wenn die Mühlen bei der Bahn also langsam mahlen, bliebe nur die Möglichkeit, in Eigeninitiative provisorisch zu sanieren. Ob die Durchführung von Maßnahmen an fremdem Eigentum allerdings überhaupt zulässig ist, steht auf einem anderen Blatt. Bis dahin heißt es wohl: „Augen und Nase zu – und durch“