Sollte die Güterbahnstrecke Löhne-Elze (auch unter dem Namen „Planfall 33“ bekannt) in die Tat umgesetzt werden, kämen auf Rinteln und die benachbarten Kommunen harte Zeiten zu. Drastische Zeitverluste beim Weg von Nord nach Süd, Verdrängungseffekte durch einen schlechter zu erreichenden Einzelhandel und eine verminderte Erreichbarkeit drohen.
Keine wirklich neuen Erkenntnisse, die jetzt im Bauausschuss der Stadt Rinteln an die Öffentlichkeit gelangten, aber eine Untermauerung der schlimmsten Befürchtungen der Güterbahn-Gegner.
Dr.-Ing. Frank Weiser vom Ingenieurbüro Brilon Bondzio Weiser GmbH zeigte anhand von Berechnungen und Diagrammen, welche teils dramatischen Folgen die Inbetriebnahme der Güterbahntrasse haben könnte: „Auf der eingleisigen Bahnstrecke verkehren heute rund 32 Züge täglich, jährlich sind es etwa 10.000. Durch zweigleisigen Ausbau könnten es bis zu 160 Züge pro Tag und 54.000 im Jahr werden.“ Doch auch diese Werte seien nicht unumstritten, sagte Weiser, und erinnerte daran, dass man trotz aller Sorgfalt eben mit Hochrechnungen und Annahmen arbeiten müsse. (Zur Erinnerung: Die Bahn spricht in einer Stellungnahme von einem Verkehrsvolumen von 24 Zügen am Tag – hier klicken)

Bei einem täglichen Verkehrsaufkommen von ermittelten 5.800 Autos am Bahnübergang Mindener Straße in Süd-Nord-Richtung und 5.400 Fahrzeugen, die von Norden nach Süden unterwegs sind, ergibt sich aus heutiger Sicht eine reine Sperrzeit (Schrankenschließungen) in Höhe von sieben Minuten pro Stunde. Bei den Berechnungen ist man von 2 Personenzügen pro Stunde ausgegangen – einer blockiert den Bahnübergang für vier Minuten, der andere für drei Minuten. Fahren jetzt zusätzlich fünf Güterzüge pro Stunde mit einer maximalen Länge von 740 Metern und einer Geschwindigkeit von 100 km/h ohne Halt vorbei, ergibt sich eine zusätzliche Sperrzeit von jeweils etwa 2:45 Minuten pro Zug. Damit wäre die Schranke pro Stunde rund 21 Minuten geschlossen, das entspricht 35% der Zeit.
42 von 60 Minuten Stillstand
In der Praxis addieren sich zu den Sperrzeiten die Räumzeiten. Die Auflösung der durch Schrankensperrung entstandenen Rückstaus dauert in etwa genau so lange wie die Sperrzeit selbst. Das bedeutet: Bereits heute dauert es im Schnitt 14 Minuten pro Stunde, damit der Verkehr wieder normal fließen kann. Tritt der Planfall 33 in Kraft, wäre insgesamt mit Verkehrsbehinderungen von 42 Minuten pro Stunde zu rechnen. 21 Minuten Sperrzeit und 21 Minuten errechnete Räumzeit – rund 70% einer Stunde wäre der Verkehr am Bahnübergang „Mindener Straße“ lahmgelegt.
„Wir müssen uns bei diesem Bahnübergang auch die unmittelbare Verkehrsinfrastruktur in der Nähe ansehen“, unterstrich Weiser seine Ausführungen,“hier handelt es sich um eine Anlage mit manueller Schrankenschließung und Blocksicherung mit Hilfe von Einfahr- und Ausfahrsignalen im Verbund mit dem Bahnhof. Die Schranke bleibt auch unten, wenn der Zug im Bahnhof anhält oder abfährt.“
Stau vor dem Kreisel, Stau im Kreisel
In 50 Metern Entfernung südlich befindet sich ein Kreisverkehr, nördlich die Abzweigungen zur Friedrichstraße und der Waldkaterallee. Die Bahnhofstraße verfügt über keine Linksabbiegerspur, so dass es bereits heute bei geschlossener Schranke zu Blockadesituationen des Straßenverkehrs kommt, ebenso ist oftmals der Kreisverkehr mit stehenden Autos versperrt und macht so das Abfließen des Verkehrs über die Bahnhofsallee und Große Tonkuhle unmöglich. In einer Animation machte Weiser deutlich, wo in einem möglichen Zukunftsszenario das Problem liegt. Durch die hohe Frequenz an Güterzügen würde ein Rückstau noch nicht aufgelöst werden können, bevor sich die Schranke erneut schließen und den nächsten Verkehrsstopp auslösen würde.

Auch Verkehrsverbindungen, die mit dem Bahnübergang nichts zu tun haben, verschlechtern sich enorm und verlieren Zeit durch den blockierten Kreisel, so zum Beispiel die Verbindungen „Bahnhofsallee – Bahnhofstraße“ und „Große Tonkuhle – Bahnhofstraße“, so Weise. Bei einem Schulnotensystem, dass im Verkehrswesen mit Buchstaben von A-F statt Zahlen angewendet wird, bekämen drei der vier Kreisel-Ausfahrten nur noch ein „E“ wie mangelhaft. „F“ wäre der totale Verkehrskollaps.
Zusammenarbeit mit Juristen empfohlen
Anders sähe die Situation bei einem weniger stark frequentierten Bahnübergang wie der „Rehre“ in Engern aus. Dort liegt die gesamte Verkehrsbelastung durch Nord-Süd-Autoverkehr unter der des Bahnübergangs „Mindener Straße“ in der sogenannten Spitzenstunde am Nachmittag. Von heutzutage rund 1:20 Minuten Sperrzeit pro Stunde hätte die Gütertrasse eine Erhöhung auf ca. 12 Minuten zur Folge. „Der einzelne Verkehrsteilnehmer ärgert sich“, sagte Weiser, „aber in der Summe handelt es sich um keine relevante Größe.“ Schlimmer wären die Folgen der Lärmbelastung für die Anwohner. Die zulässige Lärmobergrenze wird heute nur unmittelbar auf den Gleisen erreicht. Käme die Gütertrasse, stiege der zukünftige Beurteilungspegel um mehr als 15 dB(A), da im Schnitt ja mehr Züge mit einer größeren Länge und in gehäufter Zahl fahren würden. Die Lärmberechnungen basieren dabei auf Grundlage einer Diesel-Lokomotive, doch laut Weise ist der Geräuschunterschied zu einer Elektro-Lok nur minimal. Die meisten Geräusche produziert nämlich das Fahrwerk.
Ob eine eventuelle Elektrifizierung der Güterbahntrasse juristisch anders bewertet werden muss, nämlich als eventueller Neubau und somit schallschutzpflichtig, konnte Weiser nicht sagen. Er empfahl der Verwaltung aber in jedem Fall, bei der Vorbereitung der Argumentation gegen eine Güterbahntrasse die Zusammenarbeit mit Juristen: „Da gibt es soviele Feinheiten, Sie lernen immer etwas Neues dazu.“
Nachbarkommunen und Landkreis beteiligen sich an Kosten
Das Gutachten zur Güterbahntrasse Löhne-Elze befasst sich mit zwei Bahnübergängen in Rinteln und einem in Hameln und kostet 17.243,10 € brutto. Wie Bauderzernentin Elena Kuhls auf Anfrage im Bauausschuss mitteilte, beteiligt sich die Stadt Hameln mit 5.000 € an den Kosten, der Landkreis mit rund 3.000 €. Die Verwaltung hat bei weiteren Kommunen angefragt, ob Bereitschaft zur Kostenbeteiligung besteht. Die Ergebnisse des Gutachtens sind übertragbar und können auch für andere, von den Plänen zur Gütertrasse betroffene Städte und Gemeinden, eine willkommene Hilfe bei der Argumentation „dagegen“ darstellen.