Wer hätte gedacht, dass Fürst Ernst, der Gründer des nach ihm benannten Ernestinums, anlässlich eines Festakts zum 200-jährigen Jubiläum einmal selbst in den heutigen Räumlichkeiten vorbeischauen würde? Der Kurs „Darstellendes Spiel“ ließ den Vater des Gymnasiums, das 1817 in Rinteln als Ersatz für die geschlossene Universität gegründet wurde, für eine humorvolle Inszenierung mit einem Augenzwinkern wieder auferstehen. Für seine Verwunderung sorgten nicht zuletzt die seltsamen, leuchtenden Geräte, mit deren Hilfe die Schüler ihre Hausaufgaben erledigten. Smartphones und Notebooks waren vor 200 Jahren ja auch noch nicht erfunden.
Und auch sonst mangelte es nicht an Programmhighlights beim Auftakt zur einwöchigen Geburtstagsfeier. „Musici Ernesti“ spielten Johann Friedrich Fasch mit der Sinfonie G-Dur (1. Satz: Vivace), vier Schülerinnen der Poetry-Slam-AG verarbeiteten die Schulgeschichte in wortreichen und farbenfrohen Beiträgen und die Ernestinum Bigband erntete viel Applaus für „Locked Out Of Heaven“ von Bruno Mars und „Every Little Thing She Does Is Magic“, dem 80er Jahre Hit der Band „Police“.
Und es lag tatsächlich etwas Magisches in der Luft. Die zwei Jahrhunderte schienen an diesem Abend förmlich in einen Blumenstrauß der Glückwünsche und Grüße verpackt, so vielfältig dankten und gratulierten Vertreter aus Politik und Regierung dem Ernestinum. Die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt dankte Schülern, Eltern und Lehrern für die täglich so vielseitig geleistete Arbeit an der Schule. Das Ernestinum habe Stürme, Kriegswirren und verschiedene politische Systeme überdauert und verfüge über einen guten Ruf, ein abwechslungsreiches Schulleben, an dem die Kinder motiviert und aktiv lernen können. Kriegsbedingte Wendungen, auf die Schulleiter Reinhold Lüthen in seiner Rede ebenfalls einging. In der Zeit der beiden Weltkriege seien Schüler und Lehrer zu militärischen Zwecken instrumentalisiert worden, selbst die Abiturthemen in den Kriegsjahren beschäftigten sich mit den Themen Kampfmittel und totalitärer Staatsführung, viele der Abiturienten seien später im Krieg gefallen. Nach dem zweiten Weltkrieg wendete sich das Blatt. Demokratische Strukuren hielten Einzug und lehrten die Kinder unabhängig vom Status oder Geldbeutel der Eltern.
Das Ernestinum ist inzwischen Ganztagsschule, Europaschule und bietet als eine von wenigen niedersächsischen Schulen den Erwerb von „CertiLingua“-Sprachdiplomen, die als Exzellenzlabel für hohe Kompetenz in Sachen Mehrsprachigkeit gelten. Es existieren Kooperationen mit Schulen in Frankreich, Spanien, Belgien, Polen, Niederlanden, USA, China und Japan, die Schüler so optimal auf die Arbeitswelt vorbereiten. Lüthen hob auch die hohe Einsatzbereitschaft der Elternschaft und des Schulelternrates hervor. Auf dessen Idee und Initiative hin wurden aus den Bannern mit Jubiläumsmotiven stabile und strapazierfähige Taschen genäht, deren Verkaufserlös zu 100 Prozent fürs Unicef-Projekt „Schulen für Afrika“ bestimmt ist.
Von den Eintrittskarten für den Ball der Ehemaligen am 26. August werden ebenfalls Teilerlöse gespendet, ebenso vom Gewinn der Bewirtung, organisiert durch die Rintelner „Bodega“, sagte Lüthen.
Nichts ist so beständig wie der Wandel. Und so war auch die Bildungspolitik in den letzten 200 Jahren zahlreichen Reformen unterworfen, darunter die Abschaffung der Orientierungsstufen, die Einführung von Ganztagsschulen und das „Turbo-Abi“ (auch „G8“ genannt). Letzteres, so Lüthen, hätte gelingen können – wäre es nicht als „Schnellschuss“ umgesetzt worden. So eilig, wie es eingeführt worden war, wurde das Turbo-Abitur auch wieder abgeschafft. Auch eine Form von Kontinuität, doch „eine Schule ohne Reformen wird es nicht geben“, stellte der Schulleiter abschließend fest. Weitere Grußworte und Gratulationen überbrachten Landrat Jörg Farr, Bürgermeister Thomas Priemer und Schulelternratsvorsitzende Stephanie Höfig. Ein gelungener Auftakt zu einer Festwoche voller Ereignisse.