(Rinteln) Zahlreiche Rintelner waren der Einladung gefolgt, sich das Radverkehrskonzept von Verkehrsplaner Rainer Dargel persönlich vorstellen zu lassen.
Die Problematiken des Radverkehrs sind hinlänglich bekannt: Jeden Tag passieren rund 1.000 Radfahrer die Weserbrücke, mit Schwerpunkt auf die Zeiten 6 bis 9 Uhr und 16 bis 18 Uhr. Die Brücke ist das Nadelöhr und gleichzeitig die einzige nutzbare Nord-Süd-Verbindung der Weserstadt und „für alle da“. Dabei teilen sich Fußgänger und Radfahrer einen gemeinsamen, 2,30 Meter breiten Korridor. Über Sicherheitsabstände zwischen Lenker, Brückenpfeiler und -geländer darf man nicht nachdenken.
Und von Rad- oder E-Scooter-Fahrern, die in der falschen Fahrtrichtung unterwegs sind, kann wohl jeder ein Lied singen, der die Route regelmäßig nutzt. Noch dazu ist das Brückengeländer zu niedrig, kann aber aus Gründen des Denkmalschutzes nicht erhöht werden. Fazit: Die Radfahrer sollen auf die Fahrbahn – oder ihr Rad auf dem Gehweg schieben. Dazu soll es ein Tempolimit von 30 km/h geben, sowie ein Überholverbot von einspurigen Fahrzeugen. Autofahrer dürften Radfahrer somit auf der Weserbrücke nicht überholen.
Ansonsten gilt beim Konzept an vielen Stellen: „Recht statt Pflicht“. Statt – wie aktuell – eine Pflicht zur Radwegebenutzung, soll es künftig ein Nutzungsrecht geben und eben auch die Möglichkeit, statt der Radwege wahlweise die Straßen zu befahren. Pro-Argumente nannte Dargel einige: Erhöhung der Verkehrssicherheit; durch das Mitschwimmen im Verkehr werden Radler besser gesehen. Lange Unterbrechungen durch Wartezeiten an Überquerungen und Ampeln entfallen, wenn Fahrradfahrer die selbe Fahrbahn nutzen, wie Autos und LKW. Im Bereich der Einmündung zur Mühlenstraße kann beispielsweise der Linksabbiegestreifen auf der Straße mitbenutzt werden, eine entsprechende Markierung wird empfohlen.
Bei der Online-Befragung schaffte es die Weserbrücke an die Spitze der Standorte mit dem höchsten „Unsicherheitsgefühl“, erklärte Dargel. Weitere neuralgische Punkte sind die Innenstadt, der Exter Weg und – man höre und staune – der beliebte Weserradweg. Sehr wichtig war den Teilnehmern eine sichere Querung von Hauptverkehrsstraßen, eine schnelle und sichere Verbindung abseits der Hauptrouten und eine bessere Belagqualität. Eine Ladeinfrastruktur für E-Bikes und bessere Umstiegsmöglichkeiten für den ÖPNV fielen dagegen nicht so groß ins Gewicht.
Beim „Dauerthema“ Exter Weg war die Empfehlung ebenfalls klar: Zunächst die Aufhebung der Benutzungspflicht für den kombinierten Geh- und Radweg, in einem weiteren Schritt markierte, sich abwechselnde Sperrflächen mit Verengung der langen Geraden, um den Verkehr zu verlangsamen. Dazu die Errichtung von Fahrradstraßen an beiden Enden des Exter Weges ortseingangsseitig. Das ganze als Modellversuch für sechs bis 12 Monate.
Auch das Radverkehrsaufkommen am Schulzentrum haben sich die Verkehrsexperten angesehen und festgestellt: „Den Hol- und Bringverkehr an der neuen IGS hatten die Planer wohl nicht auf dem Schirm“. Auch hier gibt es Vorschläge zur Entzerrung und einer roten Markierung des Kreuzungsbereichs, da viele Elterntaxis im Einmündungsbereich der Walter-Maack-Straße wenden und so den Verkehr zum Erliegen bringen.
50 Prozent des Radverkehrs fährt aus dem Graebeweg und der Burgfeldsweide ans Schulzentrum heran, 44 Prozent aus der Friedrich-Wilhelm-Ande-Straße und nur 6 Prozent aus Richtung „Im kleinen Löök“. Daher präsentierte Dargel ein Novum: Den Vorschlag einer „Fahrradzone Westliche Kernstadt“. Von der Graf-Adolf-Straße über die Drift, Kunterschaft (ab der Einfahrt zum Steinanger-Parkplatz), West-Contrescarpe und Graebeweg könne man mit insgesamt 12 Schildern „Fahrradstraße, Anlieger frei“ gewissermaßen „mehrere Fliegen mit einer Klappe“ schlagen und den Durchgangsverkehr fernhalten. Die politische Diskussion dazu dürfte spannend werden.
Das Radverkehrskonzept geht auf einen Antrag von SPD und Grünen aus dem März 2019 zurück, schilderte Bürgermeisterin Andrea Lange. Ziel war es, Rinteln „fahrradfreundlicher“ zu gestalten. Nach einer Reihe von politischen Diskussionen und Einbeziehung von Bürgern und Ortsräten könnte das Konzept im November 2022 im Rat zustimmend beschlossen werden. Dann soll es unter Priorisierung einzelner Maßnahmen an die Umsetzung gehen. Geld wird für 2023 im Haushalt bereitgestellt, Fördermöglichkeiten werden geprüft.
Allerdings, so wurde deutlich: Vieles, was im Konzept vorgestellt ist, wäre gemäß Novelle der Straßenverkehrsordnung ohnehin nötig gewesen, beispielsweise das Thema Weserbrücke. Dargel brachte es abschließend auf den Punkt: „Für die Umsetzung einer regelkonformen Beschilderung benötigen Sie keinen Beschluss.“ (vu)