(Rinteln) Der Abwasserbetrieb der Stadt Rinteln wertet die Novellierung der Europäischen Kommunalabwasserrichtlinie (kurz: EU-KARL) als großen Fortschritt.
„Es ist eine sehr gute Nachricht für den Umwelt- und Klimaschutz, dass die nun über 30 Jahre alte Richtlinie erneuert und an aktuelle Forschungsergebnisse angepasst wird“, betont Grit Seemann, Leiterin des Abwasserbetriebs der Stadt Rinteln. „Die Zielsetzungen und Zeitpläne sind ambitioniert und werden kostenintensive Maßnahmen erfordern. In Rinteln sind wir hinsichtlich einiger Neuerungen aber bereits sehr gut aufgestellt – besonders bei der Entwicklung einer energieneutralen Abwasserentsorgung.“
Den finalen Text der neuen Richtlinie hat die Europäische Kommission am 5. November beschlossen; er wird noch im vierten Quartal im Amtsblatt der europäischen Union veröffentlicht. Die EU-KARL zielt darauf, schädliche Einflüsse auf die Umwelt durch ungenügend gereinigtes kommunales Abwasser zu verhindern. Die wesentlichen Neuerungen umfassen: strengere Zielwerte bei der Phosphor- und Stickstoffentfernung sowie die Entfernung von Arzneimittelrückständen und Spurenstoffen aus dem Abwasser.
Auch sollen Pharma- und Kosmetikindustrie unter dem Stichwort Herstellerverantwortung zukünftig an den Kosten dafür beteiligt werden. Die Energieneutralität des Abwassersektors soll anhand eines Stufenplans erreicht werden. „Nun bleibt abzuwarten, wie die Richtlinie im deutschen Recht umgesetzt wird“, sagt Grit Seemann. Für die Übertragung in nationales Recht haben die EU-Mitgliedsstaaten 30 Monate Zeit.
Effizientes und klimafreundliches Energiekonzept
Laut der EU-KARL soll der Abwassersektor bis 2045 komplett energieneutral sein. Das bedeutet, dass sich der Energiebedarf der Kläranlagen langfristig vollständig aus erneuerbaren Energien speisen soll. Erreicht werden kann dies einerseits durch eine eigene regenerative Energieerzeugung auf dem Anlagengelände, andererseits durch den Zukauf von Ökostrom. „In puncto Energieneutralität ist die Rintelner Kläranlage bereits gut aufgestellt“, sagt Grit Seemann. Bereits mehr als zwei Drittel der Energie, die die Kläranlage verbrauche, werde direkt auf dem Gelände erzeugt. „Die Reinigungsstufen sowie der Faulturm sind sehr energieintensiv. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich an unserem Energiekonzept“, führt Grit Seemann aus. Einen Großteil des Stroms für den Betrieb der Kläranlage liefern zwei Blockheizkraftwerke (BKHW), die Anfang 2024 modernisiert wurden. Sie arbeiten nach dem hocheffizienten Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung und liefern im Durchschnitt jährlich nicht nur etwa 700.000 Kilowattstunden Strom – auch die Wärme für die Prozesse der Kläranlage wird durch das BHKW gespeist.
Dieser Prozess ist äußerst klimaschonend: Als Energieträger setzt der Abwasserbetrieb das ohnehin anfallende Klärgas ein. Es entsteht durch die Zersetzung des aus organischen und mineralischen Stoffen bestehenden Klärschlamms, einem Abfallprodukt der abgeschlossenen Abwasseraufbereitung. Ergänzend liefern 482 Solarmodule weitere rund 110.000 Kilowattstunden grünen Strom pro Jahr. Beides zusammengenommen, sichern BHKW und PV-Anlagen damit schon jetzt 60 Prozent des Strombedarfs der Kläranlage. Bei der Deckung des Wärmebedarfs liegt die Eigenversorgung sogar noch höher. „Dank der BHKW können wir rund 80 Prozent der Wärme, die wir für die Kläranlage brauchen, mit unserem Klärgas selbst erzeugen“, sagt die Betriebsleiterin.
Dafür, wie der Abwasserbetrieb diese Bilanz zukünftig noch weiter ausbauen kann, hat Grit Seemann schon einige Ideen. So wurde im Jahr 2023 eine Station für die zusätzliche Annahme von geeigneten Co-Substraten eingerichtet, um die Klärgasproduktion zu erhöhen. Ein nächster Schritt sei die bestehenden Reinigungsanlagen zu optimieren und so effizienter zu machen. Zudem böten einige Gebäude auf der Kläranlage noch ausreichend Platz, um die Solarstromproduktion künftig weiter auszubauen.
(pr)