Heute, am Freitagmorgen, bevor ich diese Kolumne schreibe, kam ich an dem schweren LKW mit Kran der Stadt Rinteln an der Klosterbreite vorbei, als diese die Reste der im letzten Monat „prophylaktisch“ gefällten Bäume vom Fockenkump aufzuladen versuchte.
Immer wieder entglitten die riesigen Stammteile dem an sich schon recht großen Greifer des Baggers, als wollten sie dort nicht weg. Der LKW schwankte hin und her, letztlich mußte der Fahrer erkennen, dass dieser Baum wohl zu gewaltig für nur eine Fuhre war. Er mußte ein zweites Mal fahren.
Ohnehin schon traurig, dass diese Bäume überhaupt fallen mußten, fiel mir die folgenden Textzeilen ein, gesungen von Doris Nefedov, die ich noch aus meiner Nachbarschaft als Doris Treitz kannte und uns Älteren als Sängerin Alexandra bekannt ist:
„Mein Freund der Baum ist tot! – Er fiel im frühen Morgenrot.“
Weiter singt Alexandra:
Du fielst heut früh ich kam zu spät;
du wirst dich nie im Wind mehr wiegen;
du musst gefällt am Wegrand liegen;
und manche der vorübergeht;
der achtet nicht den Rest von Leben;
und reist an deinen grünen Zweigen,
die sterbend sich zur Erde neigen
Ein schreckliches Schicksal dieser Bäume, denn sie waren gesund, erst so um die 80 Jahre. Im Fockenkump fehlen sie sehr. Schon vor zwei Jahren fielen hier zwei andere gesunde Bäume, sie könnten ja irgendwann einmal so alt und morsch werden und umfallen, vielleicht ein Haus treffen? Es war zu früh, viel zu früh für diese Bäume.
Viel zu früh also sterben in Rinteln Bäume, viel zu früh gibt man auf und viel zu früh ist Alexandra gestorben in Tellingstedt bei Heide. Der größte Teil meiner Familie lebt in Tellingstedt und Heide – erneut erkenne ich eine tragische Verbindung.
Was hätte aus dieser hochbegabten Frau alles noch werden können? Was hätten uns diese Bäume noch geben können? Auch hier will ich ein Lied zitieren, es ist von Peter Maffay, einstens ein Motorrad-Spezi von uns auf Mallorca:
Im Sommer fange ich die Sonnenstrahlen.
Ich geb den Vögeln ihr Zuhaus.
Die Bienen fliegen ein und aus; wer zu mir kommt, macht seine Reise nicht vergebens.
Im Herbst lass ich mich von den Stürmen biegen und schenke dieser Welt die allerschönste Farbenpracht.
Im Winter trage ich Schnee auf meinen Zweigen und spür die Ewigkeit.
Die Bäume vom Fockenkump können das alles nicht mehr! Alle Bäume, liebe Leserinnen und Leser, sie sind immer – gleich welcher Größe – Bäume des Lebens.
Haben Sie schon einmal auf einem Waldspaziergang innegehalten und eine alte Eiche am Wegesrand umarmt und die Lebenskraft gespürt, vielleicht hat sie ja sogar gesprochen zu Ihnen? Sie halten das für Spinnerei? Dann kann ich nur empfehlen: Gehen Sie hin und sprechen und umarmen Sie eine solche Eiche – Sie werden staunen.
In diesem Sinne grüßt Euch
Euer Kadosch