(Rinteln) Kann die Stadt Rinteln die Umbauarbeiten in der ehemaligen Schule am Ostertor stoppen oder nicht? Darüber wurde jetzt im Stadtrat heftig diskutiert.
Zum Hintergrund: Das Schulgebäude gehört dem Landkreis Schaumburg und wird derzeit als Flüchtlingsunterkunft umgebaut. Rund 3 Millionen Euro soll der Umbau kosten, etwa 800.000 Euro sind bereits investiert. Mit einem Antrag forderte die Gruppe CDU/FDP einen sofortigen Baustopp und löste eine kontrovers geführte Debatte im Rat aus.
Für die CDU betonte Veit Rauch, dass Rinteln seiner Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen bereits nachgekommen sei und dies auch künftig tun werde. 126 Menschen finden in der ehemaligen Pestalozzischule am Kerschensteiner Weg Platz, diese sei nicht ausgelastet. Seinerzeit sei die Notunterkunft in der Prince-Rupert-School eingerichtet worden und zwei Jahre habe der Landkreis die Sporthalle am Kerschensteiner Weg blockiert, so dass dort kein Schulsport stattfinden konnte, ebenso wie die vorübergehende Nutzung der Sporthalle am Ostertor.
Antragsteller befürchten Blockade der Stadtentwicklung
Aktuell kämen drei Flüchtlinge nach der Verteilung über den Königsteiner Schlüssel in den Landkreis Schaumburg. Rauch kritisierte, er fühle sich vom Landkreis „verdölmert“, dass zeitgleich die ehemalige Herderschule in Bückeburg (das Gebäude wird als Flüchtlingsunterkunft betrieben – Anm. d. Red.) saniert werden soll und dass die Rheumaklinik in Bad Nenndorf mit 200 Flüchtlingen ebenfalls zur Jahresmitte geräumt werden solle. „Ich sehe nicht ein, dass Rinteln die Hauptlast im Landkreis zu tragen hat, das ist nicht in Ordnung“, so Rauch. Stadthagen werde aufgrund seiner hohen Migrationsquote „geschont“, Bückeburg und Rinteln hätten die Hauptlast zu tragen, argumentierte Rauch, die Zahl der in anderen Gemeinden aufgenommenen Flüchtlingen sei „überschaubar“. Man habe seine Pflicht und Schuldigkeit zwar getan, doch mit dem Umbau dieses stadtbildprägenden Gebäudes würde die Stadtentwicklung auf Jahre hinaus blockiert, befürchtete Rauch.
Astrid Teigeler-Tegtmeier (SPD) zweifelte an der Unterbringung in Turnhallen: „Flüchtlinge, die hierher kommen sind sicherlich traumatisiert und sollten nicht unbedingt in einer Turnhalle untergebracht werden. Es gibt im Moment keine kreiseigene Immobilie, die sich so gut darstellt, wie die am Ostertor.“ Man müsse, was die Flüchtlingssituation angehe, standhafte Gesetze finden um vernünftig damit umzugehen, doch sollte man die vorübergehende Situation jetzt durchaus dulden, so Teigeler-Tegtmeier. Geld, das verbaut ist, bekäme man nicht wieder zurück und zu verschenken hätten weder Stadt noch Kreis etwas. Tatsächlich brachte die Verwaltung mögliche Schadenersatzforderungen ins Spiel, sollte eine Stilllegung der bereits begonnenen Umbauarbeiten gefordert werden.

Markus Schwenk (WGS) zeigte sich eigenen Worten zufolge „entsetzt über die rechtsstaatsfeindliche Gesinnung, die aus dem CDU-Antrag spricht“. Ob man es schön finde oder nicht – da die Baugenehmigung nicht „erschlichen“ worden sei, bestehe auch keine Möglichkeit, sie wieder zu beseitigen. Die Hilfsargumentation, Rinteln habe die Hauptlast an Flüchtlingen zu tragen, helfe da nicht weiter. Es sei „Mama Merkel gewesen, die danach gerufen hat, ´lasset sie alle kommen´“, so Schwenk. Der Antrag sei „beschämend“, er sollte zurückgenommen werden.
Verbaler Schlagabtausch: Ratsvorsitzender mahnt zur Mäßigung bei der Wortwahl
Für den folgenden Kommentar von Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser (RI) in Richtung Schwenk, er würde sich am liebsten fragen, ob dieser „irgendwas geraucht habe“, gab es eine Rüge vom Ratsvorsitzenden Gerald Sümenicht. Es sei eben angesichts der Frage der Verteilungsgerechtigkeit im Landkreis „irre“, mit dem Vorwurf der Rechtsstaatsfeindlichkeit zu kontern, befand Neuhäuser. Weiterhin warf er Astrid Teigeler-Tegtmeier ein „grundlegendes Fehlverständnis“ des Asylrechts vor, was die Aufnahme von Flüchtlingen betreffe. Dass es nur eine vorübergehende Lösung sein soll, mochte Neuhäuser ebenfalls nicht glauben: „Das kann doch keiner ernsthaft glauben, dass 3 Millionen Euro verbaut werden und nach vier Jahren lässt man alles leer stehen.“ Im Interesse der Bürger müsse die Stadt auch einer „Ghettoisierung“ entgegenwirken, Integration gelinge in kleinen Einheiten besser.
Bürgermeisterin Andrea Lange klinkte sich ebenfalls in die Debatte ein und fragte in die Runde, ob schon einmal jemand in den politischen Gremien des Landkreises das Thema angesprochen habe. Weiterhin sei das Signal fragwürdig, das von dieser Debatte ausgehe, sagte sie sinngemäß. Ob ein Einfamilienhaus oder Wirtschaftsunternehmen mit einer ordnungsgemäßen Baugenehmigung gebaut werde – es sei kein Signal für Verlässlichkeit wenn es sich der Rat im Nachhinein noch einmal überlegen könne: „Davor möchte ich warnen“.
Warnung vor Verlust an Verlässlichkeit
Matthias Wehrung (CDU) versuchte, die Wogen zu glätten. Es solle ein Appell an den Landkreis und Kreistag erfolgen, die Entscheidung zum Umbau zu überdenken. Die Sachlage sei anders als zum Zeitpunkt der Beschlussfassung. Auch gehe es nicht um eine Baugenehmigung an Privatleute, die jetzt zurückgezogen werden solle. Vielmehr solle ein Beschluss einer politischen Ebene noch einmal überdacht werden. Man müsse das Geld zusammenhalten und „wenn wir das nicht tun, ist das Wasser auf die Mühlen politischer Kräfte“, die man so nicht haben wolle. Der Kreis müsse für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge sorgen, sonst werde das Thema noch emotionaler, als es schon sei. Weiterhin werde ein historisch bedeutsamer Gebäudekomplex der Innenstadtentwicklung auf Jahre entzogen, „ohne Not und ohne dass es zwingend erforderlich ist“.
Schwenk warf den Antragstellern ein unzureichendes Verständnis kommunaler Politik vor und regte an, man solle keine Anträge auf dem Rücken des Baurechts stellen, die Schadenersatzansprüche auslösen könnten. Schließlich sei darin nicht von einem Appell die Rede sondern von Stilllegung der Bauarbeiten.

Kritik gab es von Carsten Ruhnau. Statt in der laufenden Sitzung Anträge zu ändern und „Operationen“ daran vorzunehmen, sollte man sich vernünftig vorbereiten und vernünftige Anträge formulieren, so der SPD-Ratsherr in Richtung der Christdemokraten. Parteikollege Bodo Budde pflichtete ihm bei: „Völlig daneben, das Thema gehört in den Kreistag.“ Aufgrund juristischer Details gerieten Uta Fahrenkamp (Grüne) und Prof. Neuhäuser (RI) aneinander. Fahrenkamp argumentierte, keine Kommune habe Anspruch auf Verteilungsgerechtigkeit. Neuhäuser konterte mit dem allgemein anerkannten Grundsatz des gemeindefreundlichen Verhaltens; eine Anhäufung von Flüchtlingseinrichtungen in einer Stadt sei nicht gemeindefreundlich.
Letztlich konnte auch eine Änderung des Antragstextes durch Matthias Wehrung in eine Forderung mit Appell-Charakter die politische Gegenseite nicht überzeugen: Mehrheitlich sprach sich der Rat dagegen aus, den Landkreis zum Stopp der Bauarbeiten aufzufordern.
(vu)