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„Mit 100 Sachen an der Bushaltestelle vorbei“: Am Taubenberg wächst der Protest gegen rasende Motorradfahrer

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Sommer, Sonne, Wochenende. Während die Meisten dieses Szenario herbeisehnen, um bei brutzelnder Bratwurst und eiskaltem Bier die schönen Stunden im Freien zu genießen, freut man sich in Wennenkamp, Goldbeck und anderen Orten entlang der Kreisstraße 77, wenn es samstags und sonntags regnet.

Jahrelang schwelt schon der Ärger über laute und schnelle Motorradfahrer, die sich an schönen Wochenenden am Taubenberg verabreden und die Piste rauf- und runterfahren. Oft mit hohem Tempo und großer Lautstärke und oft den ganzen Nachmittag lang. Die Emotionen kochten anlässlich der Einwohnerfragestunde am Rande der Ortsratssitzung am Taubenberg sehr hoch. Bezeichnend dafür: Die eigentliche Sitzung mit ihren acht Tagesordnungspunkten dauerte gerade einmal zehn Minuten. Die folgende Diskussionsrunde erstreckte sich auf über eine Stunde. Aktuell war vom Ortsbürgermeister Bodo Budde die Einrichtung einer Tempo 30 Zone für Wennenkamp beantragt worden. Begründet war der Antrag damit, dass sich an der Kreisstraße 77 Bushaltestellen befänden und dort regelmäßig Schulkinder warten und die Straße bei hohem Verkehrsaufkommen überqueren müssten. Doch der Antrag wurde seitens der Verwaltung abgelehnt, nicht weil man es nicht umsetzen wollte, wie Andreas Wendt als Vertreter der Stadt Rinteln erklärte. Sondern weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben seien. Laut Sachdarstellung könne man nämlich eine Absenkung des Höchsttempos auf 30 km/h innerorts nur im unmittelbaren Bereich von Kindergärten, Schulen und Altenheimen mit direktem Zugang zur Straße umsetzen, und insgesamt höchstens auf 300 Metern Länge.

Großer Andrang bei der Ortsratssitzung im Feuerwehrhaus Wennenkamp.

Ratlosigkeit, Verzweiflung und Verärgerung standen den Einwohnern ins Gesicht geschrieben. Das Feuerwehrhaus platzte fast aus allen Nähten, so groß war das Interesse, dem Ärger Luft zu machen. Friedel Garbe, Stadtbrandmeister und selbst Einwohner von Wennenkamp, kündigte daher die Gründung einer Bürgerinitiative an und appellierte an alle betroffenen Anwohner, mitzumachen: „Wir haben nichts gegen Motorradfahrer und kein Problem damit, wenn auch 100 oder 200 Biker die Piste am Wochenende befahren. Aber wenn sie auf der K77 Rennen fahren und wilde Sau spielen, ist das nicht mehr hinnehmbar. Familien mit Kindern fahren schon über Volksen nach Rinteln, weil sie sich am Wochenende angesichts der vielen Biker nicht mehr auf die Straße trauen. In Uchtdorf liegen 25 Hofeinfahrten direkt an der Kreisstraße, in Wennenkamp sind es 17. Für Anwohner ist es teilweise nicht mehr möglich, gefahrlos auf die Straße zu gelangen. Und dann wird man teilweise mit hundert Sachen von einigen auf dem Hinterrad fahrend überholt und bekommt auch noch den Stinkefinger gezeigt, das ist nicht mehr hinnehmbar. Der Wunsch nach Tempo 30 wurde wie alles, was in den letzten zehn Jahren an Vorschlägen von der Bevölkerung gemacht wurde, abgelehnt. Wir haben in Wennenkamp die einzige Bushaltestelle weit und breit, an der man mit Tempo 100 vorbeibrettern kann, da das Ortsschild erst dahinter steht. Die Stadt legt Programme auf, um junge Leute in den Ortsteilen zu binden. Wir haben große Mühe, Bauplätze an junge Familien zu verkaufen und mit solchen Umständen verjagen wir sie gleich wieder.“ Als erste Maßnahme soll daher eine Verkehrszählung durchgeführt werden um belastbare Zahlen darüber vorlegen zu können, wie viele Motorradfahrer tatsächlich die K77 befahren. Mit Hilfe eines Sponsors soll eine Geschwindigkeitsanzeige gekauft und im Ort installiert werden. „Als im vergangenen Jahr das Motorradwrack mitsamt Anzeigetafel für einige Wochen bei uns im Dorf stand, hat das schon spürbar Wirkung gezeigt“, ergänzte Garbe. Auch sei Gruppenbildung, wie in einer der beliebten Kurven an der Kreisstraße verboten. Die Polizei zu rufen, sei da ein probates Mittel, um solche Versammlungen aufzulösen.

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„Mit 100 Sachen an der Bushaltestelle vorbeibrettern“: Das Ortseingangsschild befindet sich erst dahinter.

Verständnislosigkeit auch bei anderen Bürgern. Versuche, eine Reduzierung der zulässigen Geschwindigkeit auf der K77 durchzusetzen, wurden in der Vergangenheit vom Landkreis abgewiesen. „Windräder in Goldbeck hat man mit Rücksicht auf das Naherholungsgebiet und Landschaftsschutzgebiet abgelehnt, ich möchte den Landrat mal dazu einladen, bei schönem Wetter am Wochenende nach Goldbeck zu kommen und sich zu erholen, wenn die Motorradfahrer kurz vor den Kurven runterschalten, Gas geben und dann so richtig laut über die Straßen fahren. Da gehört Tempo 70 hin und öfter mal eine Radarmessung, dann ist das Geld schon am ersten Wochenende wieder eingenommen“, empörte sich ein Anwohner. Manchen wurde beim Nachfragen, warum sie denn immer und immer wieder die Strecke rauf und runter fahren würden, sogar körperliche Gewalt angedroht. Andere wiederum schilderten, sie könnten ihre Wohnung nicht mehr vermieten. Auch Garbe mahnte, beim „Pfingsttor“ in Friedrichswald, ginge es um Arbeitsplätze: „Da fahren die Motorradfahrer zehn Meter an der Theke vorbei. Wenn da keiner mehr hingeht, wegen dem Lärm, dann kann der seinen Laden dichtmachen.“ Bei der Diskussion kristallierte sich schnell heraus, wie es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht klappen wird: Mit Geschwindigkeitsbeschränkungen. Denn die müssen kontrolliert werden, sonst entpuppt sich das zusätzliche Blechschild am Straßenrand schnell als Papiertiger, den keiner Ernst nimmt. Doch wer soll kontrollieren? Einige der anwesenden Anwohner schimpften über die Polizei: „Sie kommen im Streifenwagen vorgefahren und schon sind alle Motorradfahrer verschwunden.“ Ein weiterer Zuschauer sagte, er habe sich vor Jahren beim damaligen Ersten Stadtrat Jörg Schröder beschwert und den Tipp bekommen, sein Auto an der Straße zu parken und so die Durchfahrt zu verengen: „Das hat keine zehn Minuten gedauert, da war die Polizei zur Stelle und hat einen Platzverweis ausgesprochen.“ Garbe brach eine Lanze für die Ordnungshüter: „Die sind am Wochenende mit vier Mann besetzt, müssen aber das Gebiet bis Rehren bearbeiten. An den vergangenen beiden Wochenende haben wir sie gerufen, sie sind beide Male auch erschienen.“

Das Mahnmal am Ortseingang plus Geschwindigkeits-Anzeige zeigten Wirkung.

Was viele ärgert: Die Sperrung der K80 zwischen Möllenbeck und Krankenhagen hat auf Druck aus der Bevölkerung hin funktioniert. Die K74 in Westendorf ist ebenfalls für Motorradfahrer dicht. Nur in Wennenkamp soll es nicht klappen. „Wenn alle Behörden keine Lösung wissen, wer unterstützt dann den Bürger bei seinem Anliegen? Die Bürger machen immer wieder Vorschläge, doch die werden alle abgelehnt. Wir kennen uns doch mit den Gesetzen und Paragraphen nicht so gut aus, aber es muss doch eine Anlaufstelle geben!?“, äußerte sich ein weiterer Zuschauer. Von „die K77 am Wochenende komplett sperren“, über „wieviele Menschen müssen hier noch sterben“ bis hin zu Resignation („wir sind wegen der Ruhe hergezogen, jetzt möchten wir am liebsten hier weg“) reichten die Wortmeldungen. Wie dem Problem also dann beikommen? Das einzige, was permanent hilft, wären laut Aussage der Beteiligten bauliche Maßnahmen. Bei Vlotho hat man durch den Einbau von Schwellen eine beliebte, kurvenreiche Strecke unattraktiv gemacht, erinnert sich ein Bewohner. Doch permanente Schwellen oder Rüttelstreifen fanden im Taubenberger Ortsrat bereits 2015 keine Zustimmung (siehe HIER). Und Fahrbahnschwellen, die man nur in der Saison montiert und zum Winter hin abbaut, gibt es nicht mit STVO-Zulassung. Die niedrigen Unfallzahlen seien wohl mit dafür verantwortlich, dass von Seiten des Landkreises (denn der ist für die Kreisstraße zuständig) nichts unternommen würde, hieß es. Niedrige Unfallzahlen? Ja, denn es würden zwar jede Menge Motorradfahrer regelmäßig verunfallen – doch wenn Rettungswagen oder Polizei nicht ausrücken, weil nichts gemeldet wird, tauchen die Unglücke auch nicht in der Statistik auf. Die Bürgerinitiative will ihre Arbeit jetzt aufnehmen und Beweise und Belege für die Belastung sammeln. Und notfalls auch mal eine Wanderung mit Dutzenden Menschen auf der Kreisstraße starten um den Verkehr auszubremsen. Fest steht nur: Einfach wird es nicht.

Die kurvenreiche K77 am Taubenberg wird bei schönem Wochenendwetter regelmäßig zum Ausflugsziel von Motorradfahrern. Einige von ihnen fahren hier stundenlang rauf und runter, belästigen Anwohner und gefährden andere Verkehrsteilnehmer. Das reicht den Bürgern jetzt.
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