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„Nein“ zu 11-Millionen-Kostengrenze für Stadthallenneubau: Im Rat flogen wieder einmal die Fetzen

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Obwohl die auf Antrag der CDU-Fraktion einberufene Sonder-Ratssitzung mit vergleichsweise wenigen Tagesordnungspunkten auskam (es standen sieben Punkte auf der Agenda, üblich sind bis zu 20), gestaltete sich das Programm recht abendfüllend.

Die Rintelner CDU forderte eine Kostengrenze in Höhe von 11 Millionen Euro, für den Fall, dass eine Stadthalle neu gebaut würde. Nur: Einen Antrag auf den Bau einer neuen Halle gibt es nicht. Soll man also vorbeugende Ratsbeschlüsse fassen, für den Fall, dass der Bürgerentscheid eventuell scheitern könnte und damit wieder alle Möglichkeiten in Sachen Brückentorsaal offen stünden? Das war auch für die SPD zuviel Kaffeesatzleserei. „Der CDU-Antrag ist völlig überflüssig und unsinnig“, kanzelte SPD-Fraktionsvorsitzende Astrid Teigeler-Tegtmeier den Vorstoß der Rintelner CDU ab, „der Rat hat nicht den Auftrag bekommen, die Kosten für eine neue Halle zu errechnen. Wir haben zunächst den Bürgerentscheid vor uns.“ Auch die überall im Stadtgebiet und den Ortsteilen aufgestellten Banner zur Abstimmung am 10. November bekamen ihr Fett weg: „Auf den Plakaten werden Pflichtaufgaben der Stadt, wie die Schaffung von Kita-Plätzen, ad absurdum geführt.“ Es werde suggeriert, dass im Falle eines Stadthallenneubaus kein Geld mehr für solche Dinge mehr zur Verfügung gestellt. Die Einberufung einer solchen Ratssitzung koste Steuergelder und sei eine „unseriöse Luftnummer“, so Teigeler-Tegtmeier.

Ratsherr Kay Steding (CDU) verteidigte den Antrag: „Wir betreiben hier Aufklärung!“

CDU-Fraktionsvorsitzender Veit Rauch konfrontierte Bürgermeister Thomas Priemer mit Kostenüberschreitungen beim Bau des Feuerwehrgerätehauses Möllenbeck und feuerte eine Salve an Finanzfragen ans Stadtoberhaupt ab, die Priemer aufgrund der Detailfülle gesondert – aber öffentlich – beantworten möchte. Im Hinblick auf die kommenden Haushaltsplanungen verteidigte Rauch den Antrag, man könne sich eventuelle Kostenüberschreitungen bei einem Bau gar nicht leisten und müsse „aufpassen, dass es nicht zu einem finanziellen Desaster wird“.

Das wolkenverhangene Szenario des CDU-Fraktionsvorsitzenden konnte Priemer dann doch nicht unkommentiert stehen lassen. Man habe von 2010 bis 2019 rund 39 Millionen Euro investiert, so Priemer, dabei jedoch nur rund 2,5 Millionen Euro netto an Schulden gemacht. Der Haushalt sei seit rund zehn Jahren mit einer „schwarzen Null“ ausgeglichen und es gäbe 14 Millionen Euro an Rücklagen für finanzielle Schieflagen. Auch im Jahr 2020 schließe der Haushalt trotz Steigerung der Personalkosten in Höhe von rund 650.000 Euro mit 300.000 Euro Überschuss ab. Ferner werde die Stadt Rinteln die Nordstadtkita am Krankenhaus übernehmen, sowie eine Kindertagesstätte mit fünf Gruppen am Bahnhofsweg einrichten, sowie in Schaumburg am Dorfgemeinschaftshaus eine Kita für 45 Kinder. Den von Rauch kritisierten Appell an Ortsräte zu Einsparungen gebe es jedes Jahr, das sei völlig normal, so Priemer.

CDU-Fraktionsvorsitzender Veit Rauch (re.) muss sich Kritik von Heinrich Sasse (WGS, nicht im Foto) anhören.

Christoph Ochs (Grüne) sah im „sinnfreien“ Antrag gar einen Logikfehler. Abgesehen von Zeit und Geld, dass das „Brückentor-Theater“ mitsamt der Sondersitzung koste, so Ochs, müsse man nach dieser Logik für alle Szenarien eine gleiche Kostengrenze in Höhe von 11 Millionen Euro ziehen, nicht nur für den Fall eines Hallenneubaus – also auch für eine mögliche Konstellation von Ankauf, Abriss und Neubau des kompletten Gebäudekomplexes.

„Wut im Bauch“. Heinrich Sasse (WGS) ließ es sich sogar nicht nehmen, Rauch (2.v.l.) mit dem Vorwurf zu konfrontieren, dieser habe absichtlich einen provokanten Antrag gestellt.

Kay Steding (CDU) verteidigte den Parteikurs. Man betreibe „Aufklärung“, da ein Neubau „definitiv doppelt so teuer“ würde, wie eine Sanierung. Leider habe es die Stadtverwaltung versäumt, auf der Infoveranstaltung zum Bürgerentscheid im Ratskellersaal auf Alternativen zu einer Sanierung hinzuweisen.

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Dem sonst eher zurückhaltenden Heiner Bartling (SPD) platzte angesichts der Diskussion der Kragen. Der CDU warf er das „Werfen von Nebelkerzen“ vor, die „Skurrilität“ sei nicht mehr erträglich und „absoluter Blödsinn“, der am Thema vorbeigehe. Es gehe nur darum, das Thema Bürgerentscheid am Laufen zu halten, so Bartling. Die CDU würde sich hinter dem Bürgerentscheid verstecken, jedoch könne ein – wie auch immer gearteter – Ausgang des Bürgerentscheids den Rat nicht davor bewahren, Entscheidungen darüber zu treffen, was mit dem gesamten Brückentorkomplex passieren soll. In seinen 38 Jahren als Ratsmitglied, so Bartling, habe er so einen „Blödsinn noch nicht erlebt“.

Das Interesse an der Rats-Sondersitzung war in Bürgerreihen größer als sonst.

Auch Heinrich Sasse (WGS), seit 28 Jahren im Rat aktiv, zeigte sich entsetzt über das „Theater“, das inzwischen aufgeführt werde und gab Bartling Recht: „Diese Wahlperiode ist die schlimmste bisher, ich kann es mir kaum schlimmer vorstellen.“ Bürger und Rat würden mit sinnlosen Diskussion belästigt. Der CDU warf er vor, mit „Halbwahrheiten und Vernebelungen“ zu arbeiten und erinnerte Rauch lautstark an einen Zusatzantrag vom 17. Januar diesen Jahres, wonach der Bürgermeister zusätzlich zu den Verkaufsverhandlungen auch zur Variante „sale and lease back“ Angebote einholen solle. Dabei baut ein möglicher Investor einen Saal und die Stadt mietet ihn für die Dauer von mindestens 25 Jahren zurück (langjährige Pacht). „Sie haben diesen Antrag vorsätzlich unterschlagen, fangen Sie endlich damit an, seriöse Ratspolitik zu betreiben“, so Sasse.

Anthony Robert-Lee (CDU), selbst aktiv in den sozialen Netzwerken unterwegs, warnte vor einem „Schmierentheater“, das in der Öffentlichkeit inzwischen nur noch als nervig empfunden werde und kritisierte den Profilierungszwang im Rat: „Wir müssen mit diesem Zickentheater aufhören. Kaum verlassen wir diesen Saal, können wir doch auch wieder ganz normal miteinander reden!“ Er warnte ebenfalls davor, dass Vereine bei der Konstellation einer langfristigen Anmietung des Saals von einem dritten Eigentümer möglicherweise Korkgeld zahlen müssten, wenn sie bei Veranstaltungen selbst Getränke ausschenken würden. Offenbar war der Passus in einem frühen Vertragsentwurf aufgetaucht, was von Lee vehement kritisiert wurde.

Dr. Ralf Kirstan (FDP, links) bemühte sich um einen Kompromissvorschlag und forderte die Ratsmitglieder auf, ihre „Grabenkampfmentalität“ aufzugeben.

Als Vermittler zwischen den verhärteten Fronten versuchte sich Dr. Ralf Kirstan (FDP): „Rüsten Sie ab.“ Man müsse die unglaubliche Polemik, die in dieser Diskussion an den Tag gelegt worden sei, weglassen und die „Grabenkampfmentalität“ aufgeben. Verständnisvoll bemühte sich Kirstan, den „vernünftigen“ Hintergrund des CDU-Antrags zu betonen, ohne aber das Verständnis für den Unmut auf SPD-Seiten zu vergessen. Sein Versuch auf einen gesichtswahrenden Kompromiss für alle Seiten wurde von Heinrich Sasse mit einem Beispiel auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: „Für den Fall, dass unsere chinesischen Stadtpartnerschaftsfreunde in Rinteln eine Produktionshalle bauen wollen, beschließen wir dann jetzt schon mal, dass wir ihnen nicht mehr als 10.000 Quadratmeter Bauland verkaufen wollen? Würdest Du dann auch so argumentieren?“

Nach rund einstündiger Diskussion hatte Dieter Horn (SPD) genug und stellte einen Antrag auf das Ende der Debatte, damit die Wortgefechte nicht noch weiter aus dem Ruder laufen. Nachdem sich noch die letzten Redner auf der Liste verbal abgearbeitet hatten, kam es zur Abstimmung über die Beschlussvorlage der Verwaltung auf Ablehnung des CDU-Antrags: 17 Ratsmitglieder stimmten dafür, zehn dagegen und zwei enthielten sich. Damit ist eine mögliche Kostengrenze für eine möglicherweise neue Stadthalle – von der noch nicht feststeht, ob sie überhaupt gebaut wird – vom Tisch.

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