(Rinteln) Am heutigen Freitag haben Bürgermeisterin Andrea Lange, die Leiterin des Polizei-Kommissariats Rinteln, Melanie Meinke, und die Gleichstellungsbeauftragte Claudia Zehrer am Rathaus die offizielle Fahne von Terre des Femmes gehisst. Damit soll ein sichtbares Zeichen gesetzt und gegen Gewalt an Frauen protestiert werden.
Bei weltweiten unterschiedlichen Aktionen und Veranstaltungen wird jährlich am 25.11. auf die vielen und oft verschleierten Formen von Gewalt an Frauen und Mädchen öffentlich aufmerksam gemacht, um zur Bekämpfung von Diskriminierung und Gewalt jeder Form aufmerksam zu machen, die in der Istanbul-Konvention definiert sind. Mit der Istanbul-Konvention, einem Menschenrechtsabkommen des Europarats zur Ver- hütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt, liegt ein völkerrechtlich bindendes Instrument zur umfassenden Bekämpfung und Verhütung jeglicher Form von Gewalt an Frauen und Mädchen für den europäischen Raum vor. Der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt muss weiter gehen und verdient regelmäßige Aufmerksamkeit. Häusliche Gewalt ist und bleibt eines der größten Tabus unserer Gesellschaft.
Weiter steigende Zahlen im Bereich Häusliche Gewalt – 7 von 10 Betroffenen sind weiblich
Erstmals waren in Deutschland im vergangenen Jahr über eine Viertelmillion Menschen von häuslicher Gewalt betroffen, genau 256.276 (gegenüber 2022: 240.547). Diese Zahl geht aus dem aktuellen „Bundeslagebild Häusliche Gewalt“ hervor, das Anfang Juni 2024 vorgestellt wurde. Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt ist damit im Vergleich zum Vorjahr um 6,5 % gestiegen; 70,5 % der Betroffenen waren Frauen. Bei den insgesamt 167.865 erfassten Opfern von Partnerschaftsgewalt liegt ihr Anteil sogar bei 79,2 %. 155 Frauen sind im Jahr 2023 durch ihren Partner oder Ex-Partner getötet worden. Das Risiko, Opfer eines sogenannten Femizids zu werden, steigt mit dem Alter, eine hohe Betroffenheit liegt bei den 60- bis 80-Jährigen.
Im Bereich der Partnerschaftsgewalt ist ebenfalls eine Steigerung von 6,4 % zu verzeichnen, mit insgesamt 167.639 Fällen (2022: 157.550). Wie bereits in den Vorjahren handelt es sich bei den Betroffenen von häuslicher Gewalt überproportional um Frauen. In 75,6 % der Fälle von häuslicher Gewalt und 77,6 % der Fälle von Partnerschaftsgewalt waren die Tatverdächtigen Männer. Diese Statistiken erfassen allerdings nur die polizeilich registrierten Fälle. Die Dunkelziffer ist weitaus höher. Ein weiterer auffälliger Befund: Die Zahl der Straftaten, die ausschließlich auf frauenfeindlichem Gedankengut basieren, stieg im Jahr 2023 um mehr als 56 Prozent gegenüber 2022.
Im gesamten Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektion Nienburg/Schaumburg wurden im Jahr 2023 1.003 Fälle häuslicher Gewalt polizeilich bekannt. Zum Vergleich: 2022 waren es 801 Fälle, was eine Steigerung von 25% ausmacht. Für das Polizeikommissariat Rinteln wurden im Jahr 2023 147 Fälle gezählt, im Jahr 2022 waren es 145 Fälle.
Alarmstufe Rot mit dringendem Handlungsbedarf
Die Zahlen sind weiterhin besorgniserregend. Häusliche und Partnerschaftsgewalt sind keine individuellen Schicksalsschläge. Sie offenbaren ein zentrales gesamtgesellschaftliches Problem und eine einhergehende Menschenrechtsverletzung.
Trotz der seit Jahren alarmierenden Zahlen gibt es immer noch zu wenig Unterstützung für Betroffene von häuslicher Gewalt: zu wenig Beratungsangebote, zu wenig Plätze in Frauenhäuser und zu wenig Angebote für Täter. Die Verabschiedung und Umsetzung des geplanten Gewalthilfegesetzes muss höchste Priorität bekommen. Unabdingbar dabei sind folgende Aspekte:
- ausreichender und bedarfsgerechter Ausbau und finanzielle Absicherung des Beratungs- und Hilfesystems besonders für gewaltbetroffene Frauen
- schneller und unkomplizierter Zugang zu Schutz, Beratung und Unterstützung – unabhängig von der Einkommenssituation, dem gesundheitlichen Zustand, dem Wohnort, von Sprachkenntnissen oder dem Aufenthaltsstatus der Betroffenen
- Kostenfreiheit der Schutz- und Beratungsleistungen
- Ausbau der Maßnahmen zur Täterarbeit als präventiver Ansatz zur
- Vermeidung weiterer Gewalt
- Garantierter individueller Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung.
Die Täterarbeit stellt in diesem Zusammenhang eine wichtige Präventionsmaßnahme zum Schutz von Betroffenen vor häuslicher Gewalt und Partnerschaftsgewalt dar. Täterarbeit verhindert Gewalt präventiv, indem Gewalt ausübende Menschen in Verantwortung genommen und eine grundlegende Verhaltensänderung ermöglicht wird. Aus diesem Grund umfasst die Täterarbeit auch einen zentralen Bestandteil der Istanbul-Konvention, den es ebenfalls dringend umzusetzen gilt, um nachhaltig Gewalt zu bekämpfen.
Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Rinteln, Claudia Zehrer bietet bei Gesprächsbedarf Sprechzeiten in ihrem Büro in der Ostertorstraße 2 an.
Zu erreichen ist sie unter 05751-403 947 oder per E-Mail: gleichstellung@rinteln.de
(pr)