(Rinteln)
Thema des Tages auf der jüngsten Ratssitzung war eindeutig die Freiflächen-Photovoltaikanlage (PV), die in Krankenhagen auf dem Gelände einer ehemaligen Sandkuhle zwischen dem Friedhof und dem „Dachsgang“ entstehen soll.
Mehrere aufgebrachte Bürger meldeten sich in der Einwohnerfragestunde zu Wort und machten ihrem Unmut Luft, dass nur zehn Meter von ihren Grundstücken ein mehrere Hektar großer Solarpark geplant sei und „über ihre Köpfe hinweg“ entschieden werde. Ein Anwohner erinnerte an Städte, in denen solche Anlagen 100 Meter Abstand zu Grundstücken hätten. Fragen nach einem Reptiliengutachten wurden gestellt, ebenso wie der eindringlich formulierte Appell an jedes einzelne Ratsmitglied, weshalb man die Lebensqualität der Bürger mit solchen Projekten einschränken müsse, wo es doch genug andere Flächen für Photovoltaik gebe.
Bürgermeisterin Andrea Lange versicherte, die Flächen seien nicht willkürlich gewählt, sondern mit dem Landkreis in einem Rahmenplan erarbeitet. Auch bedauerte sie eigenen Angaben zufolge, dass noch niemand an die Bürger herangetreten sei. Allerdings gehe es in diesem ersten Schritt lediglich um einen Aufstellungsbeschluss, der als eine Art „Anstoß“ zu verstehen sei. Weitere Details und Anregungen könnten dann im weiteren Verfahren eingebracht werden, da die Pläne auch öffentlich auslegen würden.

Daraus entwickelte sich eine hitzige Diskussion mit überraschendem Erkenntnisgewinn für die meisten Ratsmitglieder: Irrtümlicherweise war man der Annahme, die Stadt Rinteln sei dazu verpflichtet, 0,4 Prozent ihrer Fläche mit Freiflächen-PV auszustatten. Wie es zu dem folgenschweren Fehler gekommen war, konnte nicht restlos aufgeklärt werden und auch die Recherche in früheren Sitzungsunterlagen brachte keine erhellende Erkenntnis. „Wir müssen gar nichts“, so Bürgermeisterin Lange. Die Angabe von 0,4% beziehen sich lediglich auf die Fläche des gesamten Bundeslandes. Mit anderen Worten: Wenn in Ostfriesland mehr PV-Anlagen auf Freiflächen stehen, kann anderswo darauf verzichtet werden. Krankenhagens Ortsbürgermeister Gerald Sümenicht (SPD) äußerte erhebliche Bedenken und plädierte für einen angemessenen Interessensausgleich zwischen allen Beteiligten. Argumentiert wurde höchst unterschiedlich, mal rational, mal emotional. CDU-Fraktionschef Veit Rauch „bedankte“ sich bei der rot-grünen Landesregierung, aus deren Feder die Auflagen stammten. Schließlich gebe es genug Dachflächen, die man für solche Projekte nutzen könne.
Astrid Teigeler-Tegtmeier (SPD-Fraktionsvorsitzende) mahnte dazu, man müsse die Energiewende hinbekommen. Anthony Robert-Lee (parteilos) argumentierte, jeden Tag würden zig Fußballfelder an Flächen versiegelt und dass trotz weiteren Ausbaus an erneuerbaren Energien schlicht die Speichermöglichkeiten fehlen würden („30 Minuten“). Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser (RI) mochte sich wiederum mit dem Argument nicht anfreunden, die Planung sei eine reine Absichtserklärung und es könnte möglicherweise ganz anders kommen: „Das habe ich in 28 Jahren meiner Ratstätigkeit noch nicht erlebt.“ Neuhäuser kritisierte auch, dass durch die Einspeisevergütung solche Großanlagen den Strompreis immer weiter in die Höhe treiben würden und warnte vor der Wirkung der teils bis zu sechs Meter hohen Anlagenteile: „Das glitzert ganz schön!“. Carsten Ruhnau (SPD) wunderte sich, dass die Kritik erst jetzt geäußert würde. Beim Beschließen des Konzepts, so Ruhnau, seien aus keiner Fraktion Bedenken vorgetragtn worden. Matthias Wehrung (CDU) baute seine Argumentation um: Wenn es ohnehin nicht verpflichtend sei, diese Art von Anlagen zu bauen, werde man dagegen stimmen.
Die Debatte lief zusehends aus dem Ruder, drehte sich um Vermaisung von Landschaften für Biogasanlagen und darum, ob in Krankenhagen das Weltklima gerettet werden könnte. Astrid Teigeler-Tegtmeier redete sich in Rage und warf der Opposition sogar Populismus vor. Was wiederum Prof. Neuhäuser auf die Palme brachte und zum Gegenargument, mit Populismusvorwürfen würde die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben, nur weil man anderer Meinung sei. Bodo Budde (SPD) hatte schließlich genug von der aufgeheizten Diskussion und beantragte ein Ende der Debatte („..wichtig ist doch, dass wir die Bürger mitnehmen..“). Das (zu erwartende) Ergebnis fiel am Ende mit 17 Ja- und 13 Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen zugunsten der Planungen aus. Bereits am kommenden Montag gibt es allerdings einen Termin im Rathaus zwischen betroffenen Bürgern und der Stadtverwaltung. Dort, so Bürgermeisterin Lange, wolle man auch einen Kontakt zum Investor herstellen damit dieser sich bei den Anwohnern vorstellen und über die Pläne sprechen könne.
(Nachtrag, 1.7.2025) Bürgermeisterin Andrea Lange wehrt sich vehement gegen Vorwürfe aus Teilen des Rintelner Rates, man sei nicht ausreichend informiert gewesen über die Frage, ob die Ausweisung von 0,4 Prozent der Stadtfläche Rintelns für Freiflächen-Photovoltaikanlagen notwendig sei. Am 26. September 2024 hatte der Rat selbst das 0,4 Prozent-Ziel für Rinteln beschlossen, abweichend von der Landesvorgabe, 0,5 Prozent der Landesfläche für solche Anlagen auszuweisen. Da Rinteln wenig Flächen zur Verfügung hat, die „…geeignet, naturverträglich und flächenschonend“ für Freiflächen-PV ausgewiesen werden können, verständigte man sich politisch auf 0,4 Prozent (Ratsprotokoll 212/2024). Wenn Ratsmitglieder – wie auf der letzten Ratssitzung geschehen – davon nichts mehr wissen wollten, so Lange, dann läge das Informationsdefizit nicht an der Verwaltung. Die Verwaltung habe dem Planungsbüro auch keine Vorgaben gemacht, welche städtischen Flächen ausgewiesen werden sollten, die in Krankenhagen sei von dem Büro jedoch als geeignet dargestellt worden.
https://www.rinteln-aktuell.de/aus-dem-rintelner-rat-staedtepartnerschaft-brueckentor-photovoltaik/
(vu)
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