(Rinteln) Während inzwischen regelmäßig montags in Rinteln und anderen Städten kreis- und bundesweit Bürger auf die Straße gehen, um – meist unangemeldet – bei „Corona-Spaziergängen“ gegen die aktuellen Maßnahmen der Politik zu protestieren, fand am gestrigen Mittwoch die erste, angemeldete „Pro-Impf-Demo“ auf dem Marktplatz statt.
Geschätzt rund 140 Menschen hatten sich dazu im Stadtzentrum eingefunden. Ins Leben gerufen wurde die Veranstaltung von Michael Pavel aus Rinteln, der sich für die konstruktive Zusammenarbeit mit Polizei und Ordnungsamt bei der offiziellen Veranstaltung bedankte und die Demo mit Verlesen der Masken- und Abstandsregeln einleitete. Als weitere Redner des Abends hatte der Initiator Bürgermeisterin Andrea Lange und Burkhard Sprick eingeladen.
Bürgermeisterin appelliert: „Gehen Sie zur Impfung“
Der Satz „Bleiben Sie Gesund“ sei ein Begleiter durch die Pandemie gewesen und zeige den Stellenwert von Familie, Verwandten und Freunden, sagte Bürgermeisterin Andrea Lange in ihrem Grußwort. Viele Menschen in Rinteln und im Landkreis hätten Umsicht und Zusammenhalt im Kampf gegen die Pandemie gezeigt. Die vierte Corona-Welle drohe, alle zu überrollen und nach heutigem Wissensstand sei die Impfung der einzige und sicherste Weg aus der Pandemie. Solange jedoch nicht genügend Menschen geimpft seien, würden weitere Corona-Infektionswellen mit ihrer verheerenden Wirkung auf das öffentliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Leben zurückkehren. „Bitte gehen Sie zur Corona-Schutzimpfung, Sie schützen sich selbst und andere“ appellierte die Bürgermeisterin eindringlich. Es sei „kein Kampf gegeneinander, sondern miteinander gegen die Pandemie“.
Burkhard Sprick, beruflich Teamleiter im OP des Sana-Klinikums in Hameln, schilderte Erfahrungen aus seinem Berufsalltag in zwei Jahren Corona-Pandemie. Als sich das Virus 2019 von China aus verbreitet habe, hätte er niemals gedacht, was dies für Folgen haben würde. Die Belastung in den Krankenhäusern sei für das Personal neu gewesen, umschrieb Sprick die Situation, der nach eigenen Angaben im Alter von 60 Jahren das erste Mal auf einer Demonstration anwesend war. Er berichtete von einem Vater und seinem Sohn aus einem Ort nahe Hameln, die nach einem Skiurlaub in Österreich zu damaliger Zeit erkrankt und schließlich gestorben sind.
„Arbeiten unter erschwerten Bedingungen belastet Klinikpersonal zunehmend“
Sprick schilderte beispielhaft, anhand welcher hoher Sicherheitsstandards eine OP an einem corona-erkrankten Kind durchgeführt wurde. Durch die speziellen Vorbereitungsmaßnahmen dauere so ein Eingriff drei Mal so lange wie üblich, es sei eine enorme Belastung fürs Personal. „Wir möchten helfen und retten und in Ruhe arbeiten können“. Nach zwei Jahren Pandemie verlören die Kliniken Personal, viele seien ausgebrannt. Im Rahmen des „Kleeblatt-Prinzips“ hätte das Klinikum aus Hameln Intensivpatienten aus Thüringen übernommen, als die Stationen dort überlastet gewesen seien. Es hätten immer wieder Krebsoperationen verschoben werden müssen, dies sei für Patienten mit dieser Diagnose besonders schlimm.
Kommunikationsfehler in Sachen Impfung kritisiert
Sprick sprach auch über Kommunikationsfehler in Zeiten der Corona-Pandemie. So sei anfangs gesagt worden, eine Impfung schütze komplett vor Corona. Richtig sei, dass man vor einem schweren Verlauf geschützt sei. Heute spräche man von der Booster-Impfung und in Israel werde schon von der vierten Injektion gesprochen. Wäre die Pandemie vor fünf Jahren ausgebrochen, es hätte außer Lockdown-Maßnahmen nichts gegeben, heute „haben wir Glück, wir haben diese Impfstoffe“, so Sprick. Bei Impfdurchbrüchen müsse man sich immer die Einzelfälle anschauen, zog er einen Vergleich zur Antibaby-Pille, bei der es auch „Durchbrüche“ gebe. Nebenwirkungen gebe es auch bei anderen Impfungen und Medikamenten, jedoch würden Wissenschaftler auf der ganzen Welt daran arbeiten, dass die Impfstoffe gut und sicher eingesetzt werden könnten.
Solidarisch sei man bei Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung, so auch bei den Vakzinen: „Jede Spritze hilft, Sie entlasten Krankenhäuser und das Personal. Wir haben es selbst in der Hand wie wir weiter durch diese Pandemie gehen und wie wir da wieder herauskommen.“ Er möchte im Herbst nicht wieder auf einer Demo stehen, sondern auf der Herbstmesse und beim Weinfest, ergänzte Sprick und erntete abschließenden Applaus.
(Text: vu/Fotos: dv)