(Rinteln) Über die schlechte Haushaltslage der Stadt hat der Rat in seiner letzten Sitzung des Jahres 2024 diskutiert – und einen Haushalt mit einem Minus von 4,5 Millionen Euro fürs Jahr 2025 verabschiedet.
Wie berichtet, wäre das Minus ohne Sparmaßnahmen noch größer ausgefallen. Von Seiten der CDU, FDP und FW gab es keine Zustimmung, die Ratsmehrheit aus SPD und Grünen gab den Haushalt frei. Politisch wurde die finanzielle Situation bereits in den Monaten zuvor heiß diskutiert. Ein deutlicher Kritiker, der nicht mit plakativen Worten sparte, ist „RI“-Ratsherr und Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser, der bei der Haushaltsdebatte nicht dabei war. Er nennt die Ursachen für die Finanzkrise aus seiner Sicht.
Herr Professor Dr. Neuhäuser, hätten Sie dem Haushalt 2025 im Rat zugestimmt?
Prof. Neuhäuser: Niemals. Der Haushalt der Stadt 2025 ist einfach nur ein „Weiter so!“, und die Bürgerinnen und Bürger werden zeitnah die Quittung für eine jahrelange, verfehlte Haushaltspolitik bekommen. Da sind zunächst einmal die 18 neuen Stellen der letzten Jahre, die den Verwaltungsapparat weiter aufblähen. Und dies sind sämtlich nicht Stellen etwa im Kindergartenbereich, sondern alleine in der allgemeinen Verwaltung, für die auch keine gesetzliche Verpflichtung besteht. Mit Personal- und Sachkosten bedeuten 18 neue Stellen rund 1,3 Millionen Euro – pro Jahr. Derartigen Planungen kann man mit ruhigem Gewissen nicht zustimmen.
Haben Sie weitere Beispiele, bei denen aus Sicht ihrer Fraktion Geld falsch ausgegeben wird?
Prof. Neuhäuser: Da habe ich leider eine lange Liste. Drei aktuelle Beispiele, die so auch nicht nach außen kommuniziert werden: Es ist sicherlich wichtig, für eine ärztliche Versorgung im ländlichen Raum zu sorgen. Dies ist aber keine kommunale Aufgabe. Die Stadt Rinteln hat ohne rechtliche Verpflichtung für mehrere hunderttausend Euro eine Arztpraxis im Bürgerhaus in Krankenhagen gebaut, und will jetzt ernsthaft diese neue Arztpraxis für rund 400.000 € schon wieder erweitern. Ich freue mich für jede und jeden, der oder die einen kurzen Weg zum Arzt hat, letztendlich sind Arztpraxen aber gewinnorientierte Wirtschaftsbetriebe, und wir haben einfach nicht das Geld, einem Arzt noch 400.000 € zur Erweiterung seiner Praxis dazu zu geben. Dies wird öffentlich totgeschwiegen.
Zweites Beispiel: Jede Behörde und jeder Betrieb muss nach der Datenschutzgrundverordnung einen Datenschutzbeauftragten haben. Ich kenne eigentlich niemanden, der das nicht intern regelt. Nur die Stadt Rinteln beauftragt ein externes Unternehmen. Als ob wir für so etwas Geld hätten.
Ein drittes Beispiel: Im Personalbereich beschäftigt die Stadt einen gut besoldeten Juristen. Wieso dann gleichwohl noch extern Rechtsanwaltskanzleien beauftragt werden, um Gutachten zu erstellen, erschließt sich nicht.
Wie sieht es mit der Einnahmesituation der Stadt aus ihrer Sicht aus?
Prof. Neuhäuser: Ebenfalls mau. Der Brückenbaukomplex wurde unter Erlass notwendiger Stellplätze für einen Euro weggeschenkt. Die Stadt Rinteln gibt dem Landkreis das Geld für eine komplette Hausmeisterstelle im Gymnasium, um die Aula im Gymnasium nutzen zu können.
Kritisieren Sie auch die Ausgaben der Stadtentwicklung?
Prof. Neuhäuser: Das, was hier Stadtentwicklung genannt wird, ganz sicher. 122.000 Euro um ein paar Monate lang in Rinteln zwei Lasten Fahrräder testen zu können – das ist aus meiner Sicht der Tiefpunkt im Steuerverschwendungs-Limbo der Stadtverwaltung. Wer sieht übrigens im Stadtbild jetzt Lastenfahrräder? Hat sich das gelohnt? 42.000 Euro um die Fußgängerzone eine Zeit lang mit bunten Plastikschirmen auszustatten. Das ist weder nachhaltig noch nimmt es Rücksicht auf die Haushaltslage.
Was muss aus ihrer Sicht getan werden?
Prof. Neuhäuser: Gewerbeansiedlung ist kein Erfolgsthema der Stadtverwaltung. Die Leerstände in der Fußgängerzone werden in den Schaufenstern bunt dekoriert, sind aber doch da. Da wird zu wenig getan. Ein stimmiges System der Gewerbeansiedlung gibt es nicht. Und die Ausgabenseite insbesondere im Personalbereich muss angegangen werden. Sonst fährt der Haushalt gegen die Wand.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung?
Prof. Neuhäuser: Dramatisch. Die Schwimmbadsanierung wird der Staat noch richtig weh tun. Das Projekt ist sicherlich wünschenswert, aber nicht durchfinanziert. Die hohe finanzielle Belastung wird dazu führen, dass ohne einen subventionierten Eintritt ein irgendwie wirtschaftlich darstellbarer Betrieb nicht möglich ist. Die Folgekosten werden immens sein. Die Bürgerinnen und Bürger merken jetzt schon etwa bei der massiven Erhöhung der Straßenreinigungsgebühren, ohne dass sich am Leistungsumfang etwas ändert, dass sie künftig mehr zur Kasse gebeten werden. Wenn die Stadt Rinteln kurz nach Weihnachten ihre Grundsteuerbescheide versenden wird, wird es für viele Bürgerinnen und Bürger in Rinteln ein ganz böses Erwachen geben. Letztendlich ist das die Rechnung für das, was man gewählt hat. Eine Ratsmehrheit, die keiner finanziellen Verantwortung gewachsen ist, und eine Verwaltungsspitze, die nicht die Kraft hat, an einigen Punkten ehrlich nein zu sagen. Das ist die Ursache der Finanzsituation.