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Schon jetzt zu teuer? Brandschutz? Nachhaltigkeit? IGS-Neubau in Rinteln wirft Fragen auf

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Der geplante IGS-Neubau an der Burgfeldsweide wirft beim Kreistagsabgeordneten Heinrich Sasse (WGS) Fragen auf:

Wieso setzt man auf eine Konstruktion aus Lärchenholz, obwohl diese Bauweise für den norddeutschen Raum untypisch und ungewöhnlich ist und es an Erfahrungen mangelt? Wieso spricht man von Nachhaltigkeit, obwohl das Holz entweder aus der Alpenregion oder gar aus dem 7.000 Kilometer entfernten Sibirien transportiert werden muss? Und wieso will man im Kreisausschuss einen Beschluss über einen Bauentwurf erwirken, obwohl die festgeschriebene Baukosten-Obergrenze (diese liegt bei ca. 11,7 Mio Euro brutto, also inklusive Mehrwertsteuer) laut einer Kostenschätzung bereits jetzt um rund 593.000 Euro überschritten wurde?

Sasse: Erst Kosten überprüfen, dann Auftrag vergeben

Ebenso folgt man laut Sasse nicht der Empfehlung des Preisgerichts, die vorschlägt, die Einhaltung der Baukosten sicherzustellen und die Entwürfe hinsichtlich des baulichen Brandschutzes zu überprüfen und zu überarbeiten. Immerhin, so Sasse, gab der Brandschutzprüfer des Landkreises, Bernd Kretschmer, in der Preisgerichtssitzung am 23. Mai bei der Bewertung und Prämierung der eingereichten Entwürfe zu bedenken, die Einhaltung der Brandschutzanforderungen bei offenen Schulformen sei grundsätzlich schwierig und es seien viele Entwürfe brandschutztechnisch anzupassen, sowie gegebenenfalls technische, kostenintensive Mittel einzusetzen. Das bedeutet: Es würde in jedem Fall noch teurer werden, als geschätzt.

„Wäre es nicht sinnvoller, die Beauftragung des ersten Preisträgers erst dann vorzunehmen, wenn der Entwurf entsprechend den Empfehlungen des Preisgerichts hinsichtlich Brandschutz und der dadurch entstehenden, zusätzlichen Kosten, überprüft worden ist und wenn damit abzusehen ist, welche Zusatzkosten für den Brandschutz auf die geschätzten, die Kostenobergrenze ohnehin jetzt schon überschreitenden, Baukosten konkret zukommen?“, fragt Sasse.

So sieht der erstplatzierte Entwurf der Architekten Bez+Koch aus Stuttgart aus. (Foto: Bez+Koch/Landkreis/privat)

Als fachkundige Unterstützung hat Sasse den Diplom-Ingenieur, Architekten, Bausachverständigen und gebürtigen Rintelner Klaus Breitenbach mit ins Boot geholt. „Ganz wichtig, wir wollen die Holz-IGS nicht verhindern“, betonen Sasse und Breitenbach gemeinsam, „aber der Kreistag kann nicht eine solche Entscheidung treffen, ohne diese Punkte fachkundig prüfen zu lassen.“ Erst wenn die Nachhaltigkeit nachgewiesen sei, die Einhaltung des Kostenrahmens gewährleistet und der Brandschutz gesichert sei, könne man bauen. „Andernfalls“, so der WGS-Politiker, „ist zu befürchten, dass die Mehrkosten an anderer Stelle, wie etwa der schulischen Ausstattung, wieder eingespart werden müssen.“

Es sind unter anderem Dinge wie diese, die den beiden Kopfschmerzen bereiten: Die angekündigte, rötlich-helle Holzfassade würde sich schon nach kurzer Zeit teilweise in silbergraue Flächen verwandeln. Allerdings nicht dort, wo es Schatten gebe. Dort bliebe sie rötlich-hell, so Breitenbach. Das Resultat sei ein „scheckiges Brikett“. Und wo Feuchtigkeit ins Spiel komme, sei gar eine Grünfärbung zu erwarten. Eine Behandlung der Oberfläche mit chemischen Holzschutzmitteln sei gesetzlich verboten, Schmierereien oder Graffitis leicht anzubringen aber unmöglich zu entfernen, sagt Breitenbach. Doch als viel größeres Problem sieht der Sachverständige die leichte Entzündbarkeit des Gebäudes durch Vandalen: „Da brauchen sie nur einen Fünf-Liter-Kanister voll Sprit und schon brennt alles.“

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In dem erstplatzierten Entwurf der Architekten Bez+Kock aus Stuttgart heißt es, durch die vorgeschlagene Konstruktion könnten alle Anforderungen an Schall-, Brand- und Wärmeschutz erfüllt werden. „Diesen Nachweis sind die Planer schuldig geblieben“, kontert Breitenbach. Das Preisgericht spricht in seiner Beurteilung der Entwürfe in der engeren Wahl Empfehlungen aus, wonach die Entwürfe hinsichtlich des baulichen Brandschutzes zu überprüfen und zu überarbeiten seien. Ebenso sei die Einhaltung der Baukosten zu überprüfen und zu verifizieren. „Demnach soll der Verfasser des Entwurfes beauftragt und erst danach sollen die Brandschutz-Belange erarbeitet und dann die Baukosten überprüft werden. Die Baukostenobergrenze spielt praktisch keine Rolle mehr, da Herr Kretschmer schon bei der Tagung des Preisgerichts die Mehrkosten vorhergesehen hat, die insbesondere bei dem Holzbauwerk zu erwarten sind“, sagt er.

So wie in diesem Modell soll sich der IGS-Neubau später einmal am Schulzentrum positionieren. Links: Das Gymnasium Ernestinum.

Den Begriff „nachhaltig“, ursprünglich aus der Forstwirtschaft stammend, sehen beide hier als in den Raum gestelltes Schlagwort ohne Nachweis. „Nähere Einzelheiten zur konkreten Bewertung der Nachhaltigkeit des Entwurfs finden sich im Protokoll der Preisgerichtssitzung nicht“, argumentiert Sasse. In unseren Breiten sei vom Kies, bis hin zu Ton und Steinen sämtliches Baumaterial regional verfügbar. Noch dazu böte die konventionelle Bauweise mit Ziegeln und Beton Brandschutz, sehr guten Schallschutz und eine problemlose Haltbarkeit von bis zu 100 Jahren, argumentieren sie. Das in der Planung angeführte Lärchenholz sei dagegen mehr im Südosten Europas anzutreffen, werde womöglich gar im 7.000 Kilometer entfernten Sibirien unter Extrembedingungen und zu Dumpinglöhnen gefällt. Das heimische Handwerk sehen beide außen vor: „Der Statiker sitzt am Bodensee, die Elemente werden in speziellen Holzwerken in Süddeutschland zusammengebaut und fertig an die Baustelle transportiert, wo sie nur noch zusammengefügt werden müssen. Die Fachleute dafür müssen ebenfalls herbeitransportiert werden.“

Kreisbaudezernent: Bau auch von heimischen Betrieben durchführbar

Kreisbaudezernent Fritz Klebe erklärt dagegen, es gebe selbstverständlich die Möglichkeit, den Bau durch heimische Unternehmen zu errichten: „Uns liegt ein Brief der Zimmerer Innung vor, in dem das Vorhaben ausdrücklich begrüßt wird.“ Gegebenenfalls, so Klebe, würden mehrere kleinere Betriebe Arbeitsgemeinschaften bilden. Im Raum Garbsen gibt es bereits eine Schule aus Holz, die Klebe besichtigen konnte. Die Problematik liegt woanders: Bauprojekte dieser Größenordnung müssen per Gesetz EU-weit ausgeschrieben werden. Und da könne es durchaus passieren, dass auch Unternehmen aus anderen Ländern den Zuschlag erhielten. Der Landkreis sei nämlich verpflichtet, das wirtschaftlichste, also günstigste Angebot anzunehmen, selbst wenn die Unternehmen aus dem Ausland kämen.

Zum Thema Haltbarkeit von Holzbauten sagt Klebe, nach rund 40 Jahren müsse selbst bei Betonbauwerken die Fassade erneuert werden: „Das haben wir aktuell bei den Gebäuden aus den 70er Jahren als Thema.“ Die Liethhalle in Obernkirchen stehe schon 84 Jahre an ihrem Platz, wurde bereits einmal ab- und wieder aufgebaut, sie sei ebenfalls aus Holz gebaut und schon damals aufgrund ihres Alters nachhaltig. Ohnehin seien die Anforderungen an den Brandschutz für Holz und Beton die gleichen, betont Klebe. Es gehe beim Brandschutzkonzept weitgehend um das Retten der im Inneren befindlichen Menschen. Die müssten in einem bestimmten Zeitfenster in Sicherheit gebracht werden können. Da dürften beispielsweise tragende Bauteile nicht versagen und einstürzen, so Klebe. Da sei Holz sogar besser geeignet als Stahl, denn letzterer gebe plötzlich nach. Bei Holz sei das nicht der Fall. Und um die Sicherheit zu erhöhen, greife man auf höhere Materialstärken zurück, also Balken mit größerer Dicke als für die Statik nötig.

Ohne Auftrag keine Kostenermittlung

Bei den Kosten, so der Baudezernent, habe man momentan nur einen „Daumenwert“, nämlich die Fläche plus den Preis pro Quadratmeter. Eine Größe, die alle Wettbewerbsteilnehmer einbringen mussten. Um genauere Zahlen vorlegen zu können, muss das Architektenbüro mit verschiedenen Leistungen, von der Ermittlung der Grundlagen bis zum Entwurf beauftragt werden. Dies muss aber per Beschluss vom Kreistag erfolgen. „Natürlich achten wir darauf, dass die von uns selbst auferlegten Kostengrenzen eingehalten werden“, so Klebe, „doch damit das geklärt ist, muss der Architekt zunächst einmal mit der Planung anfangen und das tut er nicht ohne Auftrag und Honorar.“ Erst dann könne geklärt werden, in welcher Bauweise und gegebenfalls mit welchen Änderungen die neue IGS errichtet werden kann. Ebenso sollen in der Entwurfsplanung die Empfehlungen des Preisgerichts und ein Antrag der Grünen berücksichtigt werden. Der Neubau der IGS soll demnach unter den Aspekten des Masterplans 100% Klimaschutz errichtet werden. Als eine von 41 Masterplan-Kommunen bundesweit hat es sich der Landkreis mit Bewerbung und Aufnahme in das Programm zum Ziel gesetzt, den Endenergieverbrauch bis 2050 um 50 Prozent und Treibhausemissionen um 95 Prozent zu senken. Neben dieser Selbstverpflichtung gibt es allerdings auch eine rechtliche Verpflichtung, da gemäß einer EU-Gebäudeenergierichtlinie öffentliche Gebäude ab Ende 2018 als Niedrigstenergiegebäude gebaut werden müssen.

Sind die Bedenken also unbegründet? Sasse fürchtet jedenfalls, aufgrund der Komplexität dieses Themas würde ein Großteil der Kreistagsmitglieder einfach den Beschlussempfehlungen des Landkreises folgen: „Frei nach dem Motto, der Landkreis weiß schon, was er tut.“ Er will jetzt gemeinsam mit den Fraktionsvorsitzenden der anderen Parteien das Gespräch mit dem Landkreis suchen. Die Uhr für Heinrich Sasse und Klaus Breitenbach tickt jedenfalls unaufhaltsam. Am 7. August findet eine Kreis-Bauausschusssitzung statt, am 15. August tagt der nichtöffentliche Kreisausschuss, am 26. September wird der Kreistag eine Entscheidung fällen. Der Zeitdruck ist enorm. Bereits Ende 2019 soll nach vorliegenden Plänen die IGS an ihren neuen Standort umziehen. Die Architektenentwürfe der Plätze 2 bis 4 kommen als Alternative oder „Plan B“ übrigens nicht in Frage. Die Teilnehmer sollen ihre Entwürfe nach unseren Informationen inzwischen zurückgezogen haben.

 

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