Es ist ein Schreckensszenario, dass sich niemand wünscht. Bis zu 160 Güterzüge könnten pro Tag durchs Weserbergland donnern, sollte der „Planfall 33“, also die Aufnahme der Bahnstrecke Löhne-Elze in den vorrangigen Bedarf des Verkehrswegeplans, eintreten.
Über die möglichen Folgen für Rinteln und die Anrainerkommunen haben wir in der Vergangenheit schon des öfteren berichtet. Um den aktuellen Stand der Dinge zu berichten und über bevorstehende Aktionen zu informieren, lud die Bürgerinitiative Transit Weserbergland jetzt zu einem Infoabend in den Brückentorsaal Rinteln. Die Resonanz war groß.
Beispiel Mittelrheintal: Güterzüge rattern durch Weltkulturerbe
Ein kurzer Film über das Schicksal der Menschen im Mittelrheintal (Weltkulturerbe) machte deutlich, wogegen die Bürgerinitiative und ihre 200 Mitglieder kämpfen. Güterzüge rattern dort im Schnitt alle sechs Minuten, nur wenige Meter von Wohnhäusern entfernt, durch den Alltag der Anwohner. Jetzt wird die Strecke umgebaut – für noch mehr Züge. Bei 78 Zügen pro Nacht sind Verlust der Lebensqualität durch Schlaflosigkeit und Lärm, sowie Wertverfall der umliegenden Immobilien zu beklagen.
Dabei geht es eigentlich nur ums Geld: Die EU fordert Transportkapazitäten durch Europa, im Fall des Mittelrheintals von Rotterdam bis nach Genua, im Fall der Gütertrasse durch unsere Region von Rotterdam bis Warschau. Möglichst schnell und möglichst effizient, sprich, zahlreich sollen die Züge rollen.


Bis zu 160 Güterzüge in 24 Stunden – Tag und Nacht!
Aktuell befindet sich die „Nordroute“ über Minden und Hannover im Vorrangigen Bedarf. Die Strecke vom Ruhrgebiet bis nach Berlin ist durchgehend 4-gleisig ausgebaut, mit Ausnahme des 2-gleisigen Engpasses zwischen Minden und Wunstorf. Bei Bahn-Prognosen von rund 130.000 Zügen pro Jahr für 2015 kann die Belastung vom derzeitigen Streckenbestand nicht mehr aufgenommen werden. Um diese Überlastung von 120% wieder auf ein normales Niveau zu bringen, müssen insgesamt bis zu 50.000 Güterzüge pro Jahr auf die Erweiterungsstrecke verlagert werden. Das bedeutet bis zu 160 Güterzüge pro 24 Stunden oder bis zu sieben Stück pro Stunde, Tag und Nacht. Da der Personenverkehr in jedem Fall auf der Nordroute bleibt, wird ausschließlich Güterverkehr auf diese Entlastungsstrasse verlagert.

Mit einem Ausbau der Nordroute und Installation von Schall- und Erschütterungsschutz würde sich eine nachhaltige Verbesserung der Situation für Mensch und Umwelt ergeben. Eine Inbetriebnahme der Südroute hätte einerseits eine Zementierung der heute bereits in weiten Bereichen unerträglichen Situation an der Nordroute zur Folge, wie auch eine massive zusätzliche Belastung der Region Weserbergland und damit in Summe zwei hoch belastete Regionen. Nur: Die Südroute ist finanziell attraktiver, da es sich nicht um einen Neubau handelt. Damit entfallen Investitionen für Lärmschutz und zum Schutz der Bevölkerung in Millionenhöhe.

Dass es auch anders gehen kann, zeigte der Vorsitzende der Bürgerintiative, Diethard Seemann, anhand Beispielen von Stuttgart 21 oder dem „A7-Deckel“ bei Hamburg, wo Millionensummen in ohnehin wirtschaftsstarke Regionen der Bundesrepublik gepumpt würden: „Und uns will man ausbluten lassen!“ Als „grüne“ Alternative zum Transport von Containerfracht ins Baltikum sei das Schiff ohnehin viel besser geeignet.
Wenig Verständnis im Bundesverkehrsministerium
Das Bundesverkehrsministeriums befindet sich bislang im Ignoranz-Modus. 2011 wurde eine Petition an den Deutschen Bundestag übergeben, 2013 gab es sogar einen Vor-Ort-Termin mit dem Petitionsausschuss des Bundestags. „Statt dessen operiert das Ministerium nach wie vor mit längst überholten Zahlen aus 2011 und legte 2014 mit einer dritten Variante (Lügde-Bad Pyrmont-Emmerthal) noch eine Schippe drauf“, so Seemann während des Vortrags.

Rintelns Bürgermeister Thomas Priemer bestätigte auf Anfrage aus den Reihen des Publikums, das angekündigte Gutachten zur Ermittlung des Gefährdungspotenzials werde derzeit in einem Bochumer Fachbüro erarbeitet und man erwarte wöchentlich belastbare Ergebnisse. Er mahnte dazu, ein Signal nach Berlin zu senden, die Hände vom Weserbergland zu nehmen.
Die weiteren Termine und Aktionstage für dieses Jahr:
Am 18.4.2015 findet der Weserberglandweite „Aktionstag Bahn“ in Rinteln statt. Die Regionalkonferenz Bahn in Lügde ist für den 26.6.2015 teminiert, eine große Fahrradsternfahrt entlang der Strecke steht am 30.8.2015 auf dem Plan. Am 31.8.2015 werden die gesammelten Unterschriften der Bürgerinitiative offiziell im Deutschen Bundestag übergeben. „Dann“, so Seemann, „ist Berlin am Zug!“ Am 7.9.2015 beginnt die Sitzungsperiode im Deutschen Bundestag. Und damit eine Zeit des Bangens. Die Entscheidungen fallen auf parlamentarischem Weg in Berlin, es gibt kaum ein direktes Mitspracherecht der Bürger. Wie immer die Entscheidung des Deutschen Bundestags ausfallen sollte, nach einer Verabschiedung der Ausbauplanungen kann sofort mit der Umsetzung begonnen werden. Und da hofft wahrlich niemand, dass der „Planfall 33“ eintritt.
Nachfolgend finden Sie einige Links zu Filmbeiträgen zum Thema Bahnlärm:
Unterschriftenlisten der Bürgerinitiative liegen in zahlreichen Rintelner Geschäften aus. Wer lieber online unterschreiben möchte, kommt HIER direkt zur Online-Petition: KLICK
Übrigens zeigen die Schweizer, wie man es anders machen kann: Ab 2020 dürfen dort nur noch Güterzüge verkehren, die neue Lärmgrenzwerte einhalten. Das gilt auch für ausländische Güterzüge. Sie müssen bis dahin u.a. mit geräuschmindernden Maßnahmen wie z.B. neuen Bremsen nachgerüstet werden. Eine kleine Hoffnung für die Bewohner des Mittelrheintals, die hoffentlich aufgrund verschärfter Bestimmungen aus dem Nachbarland mehr Ruhe vor dem Zuglärm haben.
