(Rinteln) Eine, manchen Bürgern unter den Nägeln brennende, Frage konnte auch auf der jüngsten Sitzung des Ortsrates nicht verbindlich beantwortet werden: „Wann startet man mit der Umsetzung des Radverkehrskonzepts?“
Inzwischen „reift“ der Maßnahmenkatalog runde zwei Jahre vor sich hin. Er musste schon so manche Fragestunde aushalten und so manche Diskussion in den politischen Gremien. Nun ging es im Ortsrat um die ersten Maßnahmen, die kurz vor der Umsetzung stehen sollten: Neue Schilder und Markierungen für die West-Contrescarpe, die Drift, den Graebeweg und alle Straßen dazwischen, kurz: Die Fahrradzone „Westliche Kernstadt“.
Keine Sonderrechte bei Anfahrt zum Feuerwehrhaus
Laut Tagesordnung sollte Dr. Norbert Handke, Verkehrsexperte und Radverkehrsbeauftragter bei der Stadt Rinteln, die Fahrradzone erklären, doch er war zuvor noch zu Gast beim Ortsrat in Exten und dort hatte man offenbar ebenfalls ausgiebigen Erklärungsbedarf, so dass der Ortsrat in Rinteln zunächst ohne den Radverkehrsbeauftragten diskutierte. RI-Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser machte den Aufschlag und mahnte angesichts einer Stellungnahme der Feuerwehr-Unfallkasse vor leichtfertiger Auslegung der Straßenverkehrsordnung für den Fall, dass ehrenamtliche Feuerwehrmitglieder im Einsatzfall davon ausgehen, eine Fahrradzone möglicherweise mit Sonderrechten befahren zu dürfen: „In einer Datenbank mit 4,8 Millionen Urteilen habe ich dazu nichts eindeutiges gefunden, ich kann nur davor warnen, so etwas zu machen.“
Ortsrat kritisiert geplante Änderung des verkehrsberuhigten Bereichs in eine Tempo-30-Zone
Für ebenso fragwürdig befand er den Plan, den verkehrsberuhigten Bereich der „Kunterschaft“, die am Blumenwall in die „West-Contrescarpe“ übergeht, im Falle einer Fahrradzone als Tempo-30-Bereich auszuweisen. Hier gilt bisher Schrittgeschwindigkeit. Den Weg würden viele Fußgänger nehmen, um vom größten öffentlichen Parkplatz Rintelns am Steinanger in die Innenstadt zu gehen, so Neuhäuser. Ohne Bürgersteig und bei dem Aufkommen an Fußgängern sei dies „ausgesprochen bescheuert“. Die ganze Umsetzung des Radverkehrskonzepts beschränke sich laut Neuhäuser auf „Kosmetik“: „Kostet wenig, geht schnell und bringt nicht viel“. Inzwischen sei sehr viel Zeit seit der Veröffentlichung vergangen, dafür sei sehr wenig passiert.
Ute Grieger als Leiterin des Ordnungsamtes war ursprünglich nur als Zuschauerin in der Sitzung dabei, gab dann aber als Amtsinhaberin Auskunft: Man habe sich seitens des Arbeitskreises bewusst dafür entschieden, die Kunterschaft als Fahrradzone aufzunehmen, da man Sorge hatte, mehrere kurz aufeinander folgende Bereiche mit unterschiedlichen Regelungen (Tempo 30, Verkehrsberuhigung, Fahrradzone) zu schaffen. Aus ihrer Sicht seien die Maßnahmen mehr als nur Kosmetik, würden so doch Kontrollen ermöglicht und Radfahrer könnten etwas entspannter auf der Straße fahren. Auch sei Elterntaxi-Verkehr eben kein Anliegerverkehr, so könnte man zur Verbesserung der Verkehrslage im Wohnquartier beitragen.
Kilian Weers (SPD) konnte die Bedenken der Feuerwehr bezüglich einer möglichen, erschwerten Anfahrt nachvollziehen. Er plädierte dafür, den Ortsbrandmeister anzuhören. Schließlich gehe es bei der Anfahrt zum Feuerwehrhaus um Menschenleben und dabei zähle jede Minute. In einem Protokollauszug eines Arbeitskreis-Treffens vom 6. Juni würde zwar die anfangs ablehnende Haltung der Feuerwehr zur Fahrradzone erwähnt. Was aber letztendlich zu einer gemeinsamen Einigung geführt habe, sei nicht nachvollziehbar.
Kay Steding (CDU) schlug Untersuchungen dazu vor, wie sich eine Fahrradzone auf die Einsatzzeit der Feuerwehr auswirken würde. Neuhäuser schränkte ein, dazu gebe es zu viele Faktoren die Einfluss darauf hätten: „Spekulativ“. Stadtjurist Jan Boße sagte hingegen voraus, man gehe von höchstens einer Minute längerer Anfahrtsdauer aus. Was nicht zur Sprache kam und was mindestens genau so interessant werden dürfte, sind die Auswirkungen der Verkehrsveränderungen auf der Weserbrücke. Hier ist bekanntlich geplant, die Radfahrer im Mischverkehr auf der Straße fahren zu lassen. Dazu soll Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit für alle eingeführt werden, sowie ein Überholverbot.
Damit aus den Bedenken nicht ein weiteres halbes Jahr der Verzögerung entsteht, regte Stadtjurist Jan Boße an, zeitnah eine weitere Ortsratssitzung Ende Oktober zu veranstalten um zügig an die Umsetzung gehen zu können. Je weiter man die kalte Jahreszeit abwarten müsse, desto schwieriger würden auch die Markierungsarbeiten durchführbar sein. Abschließend geklärt werden konnte die Frage, inwiefern sich die Anfahrt der Feuerwehrleute zum Feuerwehrhaus an der Seetorstraße ändern würde, nicht. Ursula Mücke (SPD) schlug ohnehin vor, den Weg über die Umgehungsstraße zu nehmen, die Feuerwehr befinde sich schließlich in der Nähe der Abfahrt. Handke bot schließlich der Feuerwehr einen Termin an, um konkrete Problemfälle zu benennen und beheben zu können.
„Jeder hat ein Anliegen, wenn er die öffentlichen Parkplätze nutzen möchte“
Die Beschilderung „Fahrradzone, Anlieger frei“ bedeutet übrigens nicht, dass nur Anlieger dieser Straßen dort mit dem Auto entlang fahren dürfen. Neuhäuser lieferte die Begründung dazu: „Jeder, der will, hat dort ein Anliegen wenn er die öffentlichen Parkplätze nutzen möchte.“ Bekanntermaßen gibt es zahlreiche kostenlose Parkmöglichkeiten in Nähe des Zugangs zum Blumenwall, weitere öffentliche Parkplätze sind im weiteren Verlauf der West-Contrescarpe vorhanden.
Zähes Ringen um eine Lösung
Letztendlich stimmte der Ortsrat der Umsetzung der Fahrradzone zu, zunächst müsse allerdings Ortsbrandmeister Sebastian Westphal angehört werden. Ebenfalls soll die Straße „Auf der Kunterschaft“ aus dem Konzept herausgelöst werden, der verkehrsberuhigte Bereich soll bleiben.
Einwohner: „Wann bekommen wir eine bessere Kommunikation?“
Sebastian Hube, beratendes Mitglied im Bauausschuss und selbst aktiver Radfahrer, stellte im Rahmen der Einwohnerfragen das Thema der besseren Kommunikation in den Vordergrund, in der Kommunalpolitik untereinander und mit den Bürgern und Anwohnern. Wird es Infomaterial geben, Banner, Flyer, Markierungen auf denen Hinweise zu finden sind? Plakate, die den Unterschied zwischen Rechten und Pflichten bei der Radwegebenutzung aufklären? Informationen dazu seien geplant, bestätigte Handke, dazu Vorträge in Ortsräten und Zettel in Briefkästen.
Matthias Menzel wies in der Einwohnerfragestunde darauf hin, dass der Arbeitskreis im Mai und Juni 60 Fahrten aus der Nordstadt und vom Pferdemarkt in Richtung Feuerwehrhaus unternommen habe. Die Ergebnisse werde er den Mitgliedern des Ortsrates zur Verfügung stellen.
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