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Verzwickte Verkehrsstatistik: Ortsrat Möllenbeck plädiert für Tempo 50 und Überholverbot

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Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis bekamen Einwohner bei der jüngsten Ortsratssitzung in Möllenbeck anschaulich demonstriert. Es ging ums Thema Lärmreduzierung an der B 238 und die damit beantragte Geschwindigkeitsbegrenzung an der Lemgoer Straße, zwischen dem Ortsausgang und der Einmündung „In der Neustadt“ von 70 auf 50 Stundenkilometer.

Die Anwohner fühlen sich genervt vom Verkehrslärm, Ortsrat und Stadtverwaltung konnten sich anhand eines Besichtigungstermins in der vergangenen Woche live ein Bild von der Situation auf Anliegergrundstücken machen, wo man laut Ortsbürgermeister Thorsten Frühmark dein Eindruck hat, „die LKW fahren durch den Vorgarten“. Verschlimmert worden sei die Situation durch umfangreiche Abholzungsarbeiten, wodurch auch die letzten Barrieren zwischen Bundesstraße und Bebauung weggefallen sind, war zu erfahren. Für das Fällen der Bäume trägt allerdings nicht die Stadt die Verantwortung, sondern das Land Niedersachsen. Turnusmäßig wird alle zehn Jahre ein Kahlschlag vollzogen, dann überlässt man die Botanik wieder weitgehend sich selbst.

Grenzwerte, Lärmberechnung und viel graue Theorie: Der Ortsrat hört den Ausführungen von Hartmut Meyer, Sachgebietsleiter im Straßenbauamt (hinten links) zu.

Die Theorie

Die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau und Verkehr in Hameln (nachfolgend „Straßenbauamt“ genannt) schickte Sachgebietsleiter Hartmut Meyer, um den Möllenbeckern mit einem Rundumschlag in Sachen Lärmkunde zu erklären, warum sie keine Geschwindigkeitsreduzierung in diesem Bereich erwarten können. Wichtigste Erkenntnis: Das Amt misst den Lärm nicht, es berechnet ihn. Das ist per Gesetz so vorgeschrieben, daran ist nichts zu rütteln. Eine Computersimulation wird mit Daten der Verkehrszählungen vergangener Jahre gefüttert und spuckt dann für einzelne Grundstücke eine Lärmberechnung aus.

Das Ergebnis zerschlägt so manche Hoffnung: Eine Herabsetzung der Geschwindigkeit von 70 auf 50 km/h führe allenfalls zu einer geringfügigen Reduzierung des Verkehrslärms, so das Ergebnis. Der Pegel ändert sich minimal; als Argument für Tempo 50 langt das nicht. Ohnehin liege die Lärmbelastung für fünf Grundstücke In der Neustadt, am Apfelkamp und der Lemgoer Straße anhand der beispielhaft durchgeführten Berechnungen selbst tagsüber unterhalb der Richtwerte von 70 dB(A), nachts wird der Richtwert von 60 dB(A) unterschritten. Schwacher Trost für alle Betroffenen: Auf freiwilliger Basis können Anwohner einen Antrag stellen, um nach Prüfung und Bewilligung 75 Prozent der Kosten für den Einbau von Lärmschutzfenstern erstattet zu bekommen. Freiwillig bedeutet hier: Alles kann, nichts muss. Solange Gelder für diese Maßnahmen zur Verfügung stehen, kann gefördert werden. Versiegt der Finanztopf, gibt es gar keinen Zuschuss mehr.

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Blick auf die B238 in Richtung Lippe: Hier soll künftig Tempo 50 für mehr Lärmschutz sorgen.

Die Praxis

Es waren nicht nur Reinhold Kölling (SPD) und Anthony-Robert Lee (CDU), die sich angesichts der vorliegenden Verkehrszählungs-Statistik verwundert die Augen rieben: Im Fünf-Jahres-Abstand werden die Verkehrszahlen der Zählstelle Nr. 445 aus dem Jahr 1995 hochgerechnet und prognostiziert und wenn man den Ergebnissen Glauben schenken will, sind die Verkehrszahlen seitdem nicht gestiegen, sondern haben sich teilweise sogar zurück entwickelt. Besonders der LKW-Verkehr, den übereinstimmend alle als enorm gestiegen empfinden, soll demnach nach dem Berechnungs-Hoch von 2005 mit einem Anteil von 12 Prozent tagsüber und 20 Prozent nachts in 2015 auf 7,4 Prozent am Tag und 16 Prozent nachts zurückgegangen sein.

Dabei, so der Einwand von Frühmark, sei die Umgehungsstraße für Möllenbeck aufgrund der hohen Verkehrsbelastung und die Anbindung des westfälischen Wirtschaftsraums durch die B 238 an die A2 doch erst jüngst in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 aufgenommen worden: „Damals wurde argumentiert, 70 Prozent des Verkehrs von Steinbergen fließt auch durch Möllenbeck.“ Eine mögliche Schlussfolgerung durchzog vage den Raum: Will man pro Umgehungsstraße argumentieren, ist die Verkehrsbelastung für Möllenbeck groß – sucht man Argumente gegen den Lärmschutz, ist es plötzlich gar nicht mehr so schlimm? Auch für eine Lärmschutzwand, wie in Langenholzhausen, stehen die Chancen gleich null. Dort war die B 238 auf 2,3 Kilometern Länge um den Ort herumgeführt worden. Kosten damals: 6,8 Millionen Euro. Da es sich um einen Neubau/Ausbau handelte, waren Lärmschutzmaßnahmen möglich.

Beim Versuch, aus der Straße „In der Neustadt“ auf die B238 abzubiegen, geraten Anwohner oft in Gefahr durch überholende Verkehrsteilnehmer. Ein Überholverbot soll hier Abhilfe schaffen.

Wie so oft liegt der Teufel manchmal im Detail begraben. Die offizielle Verkehrszählstelle liegt laut Meyer im Bereich zwischen der Hessendorfer Straße und der Braasstraße und erfasst so einen Teil des LKW-Verkehrs zum Kieswerk überhaupt nicht. Weitere Probleme ergeben sich laut Kölling durch die Missachtung der Straßenverkehrsordnung: Viele Motorrad- und Autofahrer geben bereits vor dem Ortsausgangsschild Vollgas oder rauschen mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit aus Richtung Lippe über die Kuppe nach Möllenbeck hinein. Hinzu kommen laut Anwohnern oftmals brenzlige Situationen durch Überholmanöver. Wer dann aus der „Neustadt“ kommend versucht, auf die B 238 abzubiegen, begibt sich in große Gefahr.

Das waren dem Ortsrat zu viele offene Baustellen, also ging man in die Antragsoffensive. Zunächst soll die Stadtverwaltung beauftragt werden, aus Richtung Westfalen bereits 100 Meter vor der Einmündung „In der Neustadt“ ein Schild zur Geschwindigkeitsreduzierung aufzustellen. Statt Tempo 70 soll im nachfolgenden Bereich in beiden Fahrtrichtungen Tempo 50 mit dem Zusatz „Lärmschutz“ greifen, ebenso soll es ein Überholverbot geben. Diese Maßnahmen sollen probehalber für die Dauer von sechs Monaten umgesetzt werden. Gleichzeitig will man an die Polizei herantreten und um regelmäßige Geschwindigkeitskontrollen bitten. Das ist der einfachere Weg, für die Aufstellung stationärer Blitzer ist nämlich der Landkreis zuständig. Und eine eigene Verkehrszählung soll kommen. Innerorts, damit auch der LKW-Verkehr korrekt berücksichtigt wird und belastbare Zahlen auf den Tisch kommen, angesichts derer Theorie und Praxis nicht so weit auseinander liegen.

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