Rintelns historische Altstadt ist um ein weiteres, historisches Gebäude ärmer. Unbarmherzig bohren sich die Klauen der Baggerschaufel in jahrhundertealte Eichenbalken und zermalmen sie. Eine leichte Staubwolke steigt auf.
Vor wenigen Tagen begannen die Abrissarbeiten des ungefähr 230 Jahre alten Fachwerkhauses in der Ritterstraße. Jetzt ist nur noch ein Haufen Bauschutt übrig, der auf LKW-Ladeflächen abtransportiert wird und Platz für einen Neubau schafft.
Der Bauherr, Veit Rauch, plant die Errichtung eines barrierefreien Wohngebäudes mit fünf Wohnungen an der gleichen Stelle. Die Wohneinheiten haben eine Größe von 63-78 qm und verfügen allesamt über einen Einstellplatz. Die Nachfrage nach den Wohnungen sei groß, so Rauch, er habe bereits eine Warteliste für Interessenten. Rauch, der das alte Fachwerkhaus vor rund zwei Jahren erworben hat, zog eine Sanierung nie ernsthaft in Erwägung: „Sie wäre möglich, aber wirtschaftlicher Unsinn.“ Man könne nicht immer barrierefreien Wohnraum im Zuge der Demografieentwicklung fordern und alles beim Alten belassen, sagte er auf unsere Anfrage am Telefon. Es brauche Mut zur Veränderung.
Die wird kommen. Geplant ist der Beginn der Bauarbeiten für das neue Wohngebäude, von denen die oberen Einheiten mit einem Balkon auf der Südseite ausgestattet werden sollen, für die Zeit nach Ostern mit Fertigstellung noch in diesem Jahr. Das Haus wird in Betonbauweise entstehen, mit einer Holzverkleidung zur Straße hin.
Der Museumsleiter der Eulenburg, Dr. Stefan Meyer, bestätigt auf telefonische Anfrage, dass die meisten alten Bürgerhäuser in Rintelns Altstadt tatsächlich nicht unter Denkmalschutz stehen und zumindest theoretisch jederzeit der Abrissbirne zum Opfer fallen können. Die fortschreitende Demontage der historischen Fachwerkkulisse macht ihm Sorgen: „Man muss sich im Hinblick auf die historische Altstadt langsam fragen, ob man diese Kuh schlachten oder melken will, beides geht nicht. Man kann nicht einerseits mit der historischen Altstadt werben und sie andererseits als unwirtschaftlich Stück für Stück abreißen.“
Viele der alten Häuser stünden erfreulicherweise noch, weil sie von ihren Eigentümern wertgeschätzt werden, häufig aber auch nur weil es gerade niemanden gebe, der sie einer „Verwertung“ zuführen könne. „Warum gibt man Eigentümern, die sich um die Restaurierung alter Häuser kümmern nicht beispielsweise einen freien PKW-Parkplatz auf einem der städtischen Parkdecks als Motivation zum Erhalt“, ergänzt Meyer, „bei den Stadtführungen und Rundgängen müssen wir mittlerweile schon Zick-Zack-Routen einplanen damit wir viele Bausünden wie etwa in der Engen Straße und der Schmiedegasse möglichst umgehen. Führt der Weg dann doch dort vorbei, gibt es regelmäßig vorwurfsvolle Kommentare und Kopfschütteln.“
Auch in der Giebelgasse, durch die fast jeder Stadtrundgang führt, stehen neuerdings triste Fertiggaragen – alles andere als ein Augenschmaus. „Wie man ganze Straßenzüge trotz klammer Haushaltslage in vorzeigbarer Form erhalten kann, machen uns andere Städte vor, wie etwa Hannoversch Münden, Einbeck und Hameln“, sagt der Museumsleiter.
Es ist gar nicht so lange her, da wurde unweit des jetzigen Abrissprojekts nur wenige hundert Meter entfernt ebenfalls ein historisches Haus dem Erdboden gleich gemacht. Dabei handelte es sich um eines der ältesten Bürgerhäuser Rintelns in der Krankenhäger Straße, das im Mai 2014 dem Abrissbagger zum Opfer fiel. Ein etwaiges, neues Projekt wurde seitdem an dieser Stelle noch nicht begonnen. Eingerahmt wird die leerstehende Fläche seitdem durch einen Bauzaun.