Der illustrative Einstieg ist ein sattes Grün, welches die Naturinteressierten an diesem Abend zum Vortrag „Naturnahe Gartengestaltung“ begrüßt – wobei die Idylle täuscht, wie Christian Voigt, seines Zeichens Diplom-Ingenieur für Landschafts- und Freiraumplanung, gleich zu Beginn deutlich macht: „Hier sehen Sie eine Fläche, die aus wenig Strukturen und aus Monokulturen besteht“, so Voigt. Nur einzelne Feldgehölze lassen noch erahnen, wie diese Landschaft einmal ausgesehen haben mag. Hierzu zitiert Voigt aus Bernhard Flemels Heimatdichtung „Erlebte Landschaft“, in welcher er in Anbetracht heute seltener oder gar ausgestorbener Orchideenarten auf dem Dachtelfeld bei Hameln fragt: „Wer könnte sich diese Landschaft ohne euch vorstellen?“
„Steingärten“ bieten Insekten keinen Lebensraum
Heute, fast 100 Jahre später, können sich die Menschen umgekehrt nicht mehr vorstellen, dass die ausgeräumte Landschaft einmal diesen Reichtum beherbergt hat. Die Eutrophierung, das heißt die Anreicherung der landwirtschaftlich genutzten Flächen mit Dünger, hat weitestgehend dazu geführt, dass artenreiches Grünland verloren gegangen ist – und auch die Hausgärten im Siedlungsbereich sind vielerorts derart verarmt, dass auch Erdhummel, Moschusbock & Co. vergeblich nach geeigneten Tracht- und Futterpflanzen suchen. Hierbei erspart Voigt den über 70 Zuhörerinnen und Zuhörern nicht der Blick in die mittlerweile weit verbreiteten, angeblich pflegeleichten Steingärten und empfiehlt zur weiteren Sensibilisierung die Facebook-Seite Gärten des Grauens, wobei besonders krasse Beispiele naturfremder und strukturloser Gartengestaltung gesammelt werden.
Dass der Mensch sich durchaus nach mehr Natur im eigenen Garten sehnt, zeigt die große Resonanz, auf den der Vortrag stieß: Angesichts der Vielzahl an Zuhörern platzte der Raum in der Eulenburg aus allen Nähten, doch gebannt hörte man zu, wie Voigt seinen eigenen Garten in zwanzig Jahren in ein Naturparadies verwandelt hat: Gezielt hat er auf dem mehr als 4.000 Quadratmeter großen Grundstück Grasflächen in artenreiche Wiesen verwandelt und Struktur hineingebracht: Neben üppigen Staudenhecken umsäumen heimische Gehölze das Grundstück. Die Koniferen mussten weichen, hierfür wurden sonnenexponierte Kalkmagerrasenflächen angelegt, die aufgrund ausbleibender Düngung prächtig gedeihen.
In 20 Jahren zum Naturparadies
Zentral ist der Zeitpunkt der Mahd für den Artenreichtum der Wiesen, wie Voigt betont: „Es wird eineinhalb Mal im Jahr gemäht und das Mahdgut wird von der Fläche genommen, damit die sonnenkeimenden Arten wieder zum Zuge kommen können.“ Auch die gezielte Ansaat seltener Arten wie Flockenblumen oder Schachtbrettblumen sind nötig, da diese von alleine den Weg in den Garten nicht geschafft hätten. „Interessant ist auch, dass einige Pflanzen den Weg in meinen Garten mit der Hilfe von Ameisen geschafft haben, da diese die Samen über Kilometer in ihre Baue transportieren“, wie Voigt weiter erläutert.
Auch weitere Strukturen wurden geschaffen: Totholz und Steine bieten Versteckmöglichkeiten für Amphibien und Reptilien. Und auch Trockenmauern ohne ausgemauerte Fugen sorgen dafür, dass Pflanzen wie der Mauerpfeffer diese nach und nach besiedeln. Und eine Blume hat bei Voigt die absolute Narrenfreiheit im Garten: die Primel. Schlüsselblumen wachsen bei Voigt überall auf dem Grundstück und besiedeln sehr gerne die breiten Fugen der Gehwegplatten: „Das dürfen sie auch – die Primeln gehen immer und dürfen auch überall wachsen. Keine wird herausgezogen“, so Voigt.
In einer bunten Bilderreihe breitete Voigt der Zuhörerschaft seinen Garten im Wandel der Jahreszeiten aus, verbunden mit den jeweiligen Raffinessen und Schönheiten, die sich vom Frühling bis zum Winter zeigen. „Dieser instruktive Vortrag macht Lust auf mehr“, wie auch Dr. Nick Büscher und Dr. Stefan Meyer finden, die hoffen, dass nun viele Menschen den Winter nutzen, um sich Gedanken über die naturnahe Umgestaltung des eigenen Gartens machen werden. Und die große Resonanz der Vorträge zeigt beiden, dass man mit dem Thema „Insekten“ einen Nerv getroffen hat, sodass dies sicherlich nicht die letzte Vortragsreihe von Heimatbund und NABU Rinteln gewesen ist, wie beide bekräftigen. (pr)