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Wortgefechte wegen W-LAN: Gratis-Internet spaltet Rintelns Rat

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Wenn eine Ratssitzung für zehn Minuten unterbrochen werden muss, damit sich eine überhitzte Diskussion beruhigt, dann vermutet man zu Recht einen komplizierten Sachverhalt dahinter – oder Unsummen an Geld. Doch als der Stadtrat bei seiner gestrigen Sitzung mal kurz Luft holen musste, war der Grund ein ziemlich banaler: Es ging um freies W-LAN für Rinteln.

Die WGS hatte im Vorfeld einen Antrag auf die Errichtung eines öffentlichen, freien W-LAN Netzes für die Innenstadt gestellt. Die Grünen zogen einige Tage später nach, doch in der geplanten Umsetzung unterschied sich der „grüne“ Antrag ganz erheblich. Sie schlugen vor, den Stadtmarketingverein „Pro Rinteln“ ins Boot zu holen. Geschäftsinhaber sollten ihr W-LAN für Kunden öffnen und so selbst dafür sorgen, dass gratis gesurft werden kann.

Freies W-LAN und Gastzugänge in einem Topf

Der feine Unterschied war der SPD- und Grünen-Fraktion offenbar egal: Sie stimmte dem Antrag von Ursula Helmhold (Grüne) zu, beide getrennt eingereichten Anträge und Tagesordnungspunkte zu einem zusammenzufassen und auch gemeinsam über beide zu diskutieren. Der Beschlussvorschlag der Stadtverwaltung schlug abermals eine andere Richtung ein. So sollte kostenfreies W-LAN erst dann im Innenstadtbereich und den Ortsteilen zur Verfügung gestellt werden, wenn flächendeckend alle Ortsteile über „Schnelles Internet“ verfügen.

Hatte der Antrag schlechte Karten, weil er von der WGS kam? Dr. Gert Armin Neuhäuser vorn befürchtete genau das.
Hatte der Antrag schlechte Karten, weil er von der WGS kam? Dr. Gert Armin Neuhäuser (vorne) befürchtete genau das.

Gert Armin Neuhäuser (WGS) sprach daher auch von einem Vergleich „Äpfel mit Birnen“: „Es geht hier um ein touristisches Angebot im Innenstadtbereich. Was hat das mit dem Netzausbau in den Ortsteilen zu tun? Das wäre genau so, wie wenn die Dauestraße erst dann saniert würde, nachdem jeder Ortsteil eine Streuobstwiese bekäme.“ Er warnte angesichts bestehender Haftungsfragen davor, einfach so sein geschäftliches Netz für Kunden zu öffnen und empfahl den Abschluss einer guten Betriebshaftpflicht: „Ich warne jeden davor, vor der Haftung kann sich keiner entziehen.“ Es folgte ein Blick über die Stadtgrenzen. „In Stadthagen sind sich alle Parteien im Rat einig, dass es freies W-LAN in der Fußgängerzone geben soll“, sagte er, „warum ist dies nicht in Rinteln möglich.“ Dabei ginge es nicht um Unsummen, rund 6.400 Euro Kosten verursachte dies pro Jahr. „Jugendliche wollen kommunizieren, wir machen uns viele Gedanken um Demografie.“ Wenn die Jugendlichen erst einmal weggezogen seien, sei es zu spät.

Dietmar Vogt (Grüne) argumentierte, die 3G- und 4G-Funktechnik sei bereits in ausreichender Stärke ausgebaut. Für die Übertragung größerer Datenmengen biete sich ohnehin das heimische W-LAN an. Man müsse allerdings eindringlich davor warnen, sein Netzwerk für Gäste zu öffnen. Durch die geltende Störerhaftung werde derjenige haftbar gemacht, der den Zugang zur Verfügung stelle. Einige Geschäftsinhaber hätten jedoch bereits ein Netzwerk für ihre Kunden zur Verfügung gestellt. Dort müsse man sich aber mit Login und Username registrieren. Augenscheinlich hatten viele Schwierigkeiten, der Argumentation zu folgen.

Stefan Frühmark (CDU) bestätigte, man wolle dem WGS-Antrag uneingeschränkt zustimmen, wunderte sich allerdings über den Antrag der Grünen, Pro Rinteln mit einbeziehen zu wollen. Neuhäuser wunderte sich: „Wenn Sie aber eindringlich davor warnen, kann man doch nicht gleichzeitig beschließen, sein Netz zu öffnen – das ist schizophren.“

Astrid Teigeler-Tegtmeier fand es „bizarr“, was für eine Diskussion losgebrochen sei: „Solange wir in den Ortsteilen das Internet ausgebaut haben, werden wir kein Geld für W-LAN in die Hand nehmen.“ Den Vorschlag der Grünen fand sie gut, doch: „Der Haftungskram ist bedenklich.“

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Christoph Ochs zweifelte daran, ob man mit einem kostenfreien W-LAN Jugendliche in der Stadt halten könne. Das vorhandene, mobile, Internet reiche aus um zu kommunizieren und Fotos zu verschicken. Lediglich in Gebäuden, sehe es schlecht aus. Aber da hätten ja auch Geschäfte wie „Schäfer´s“ gezeigt, wie man es machen könne. Und angesichts der im Raum stehenden Kosten sagte er: „Jeder Euro ist zuviel.“

Bürgermeister Thomas Priemer sagte, das Touristikzentrum Westliches Weserbergland arbeite an einem Hotspot rund ums Bürgerhaus. „Das Bundeskabinett hat beschlossen, das Telemedien-Gesetz zu ändern. Es soll ein W-LAN zur Verfügung stehen können, ohne den Aspekt der Störerhaftung“, so Erster Stadtrat Jörg Schröder und mahnte zur Diskussion auf Ballhöhe.

W-LAN in der Stadt erst nach Breitbandausbau?

Heinrich Sasse (WGS) war noch immer auf der Suche nach dem Zusammenhang zwischen W-LAN in der Stadt und der Breitbandversorgung in den Ortsteilen und bemängelte die Antwort des Bürgermeisters: „Andere Städte machen es uns vor und wir disktuieren. Es ist nicht der Heilsbringer aber ein Baustein um Rinteln für Anwohner und Touristen attraktiver zu machen. Mit so einer Antwort kann man nur zufrieden sein, wenn man ein SPD-Parteibuch in der Tasche hat. Wir hauen Geld heraus für eine Demografiebeauftragte, wir investieren in die Zukunft und diskutieren über 6.400 Euro im Jahr. Wollen Sie wirklich sagen, wir machen so lange nix, bis wir nicht die letzten weißen Flecken auf der Karte beseitigt haben?“ Thomas Priemer verwehrte sich der Verknüpfung der Angelegenheit mit seinem Parteibuch: „Solange die Menschen in Ahe und Friedrichswald morgens ihren PC einschalten müssen und mittags die ersten Signale absetzen können, wollen wir die Sache erst in Gleichklang bringen.“

Veit Rauch (CDU) brachte den Vergleich mit Stadthagen auf den Plan: „Wir reden hier über 6.400 Euro. Und gerade haben wir über viel größere Summen bei der Einstellung eines Laufbahnbeamten diskutiert.“ Thorsten Frühmark (CDU) beklagte die Zerredung des Themas in Partei-Streitereien, dabei wolle man doch eine Verbesserung herbeiführen. Die Geschäftsleute seien auch noch gar nicht gefragt worden, ob sie mitmachen wollen: „Ich bin gespannt, wie Sie einem Jugendlichen erklären wollen, zuhause in Friedrichswald hast Du kein schlechtes W-LAN oder gar keins – aber wenn Du nachmittags nach der Schule in der Stadt bist, hast Du auch keins.“ Er appellierte an den Rat, man möge sich in dieser Angelegenheit doch zusammenreißen, man tue dies doch für die jungen Leute. „An jedem Strand dieser Welt gibt es kostenfreies W-LAN – und da sitzen die Leute.“

Neuhäuser (WGS) befürchtete gar, man wolle hier die Ortsteile gegen die Innenstadt ausspielen. Die Debatte erwecke den Eindruck einer Neiddiskussion. Weiter bemängelte er die Wortwahl von Christoph Ochs in der Diskussion und ging davon aus, dass dieser sich bei ihm entschuldigen würde – was Ochs auch wirklich tat.

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Von links: Christoph Ochs (Grüne) entschuldigte sich bei Dr. Gert Armin Neuhäuser (WGS).

Nach einer Unterbrechung von zehn Minuten, die einige der Ratsmitglieder zur Erholung nutzten, ging der verbale Schlagabtausch in die Endrunde. Selbst aus den eigenen Reihen der SPD kamen mahnende Worte. Michael Pavel zeigte sich eigenen Angaben zufolge entsetzt über die Diskussion, selbst wenn es 10.000 Euro kosten würde, man müsse die Stadt attraktiver machen. Der Verweis auf die weißen Flecken in der Breitbandversorgung in den Ortsteilen klinge wie „Du bekommst nur dann etwas zu trinken, wenn Du Deinen Teller leergegessen hast“. Ursula Helmhold (Grüne) stellte die Frage in den Raum, ob es denn ein Menschenrecht darauf gäbe, an jedem Fleck der Erde Fotos und Filme auf dem Handy ansehen zu können. Angesichts der hitzigen Debatte hoffte sie, es würden nicht zu viele Menschen zusehen – der Verlauf dürfte wohl kaum jemanden dazu motivieren, sich in Rinteln für die Kommunalwahl aufstellen zu lassen.

Die Verwaltung machte das Angebot, eine Übersicht über bestehende Hotspots zu erstellen und eine Kostenaufstellung zu veranlassen, darüber, was das freie W-LAN in der Innenstadt tatsächlich kosten würde. Das Thema soll in der nächsten Ratssitzung erneut diskutiert werden, darüber waren sich dann doch wieder alle einig.

 

 

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