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Einnahmeproblem oder Ausgabeproblem? Rat diskutiert über Finanzlage und Steuererhöhungen

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(Rinteln) Zum Thema Hallenbadsanierung ging es auch im Rat hoch her. Auf der Tagesordnung stand zwar überhaupt nicht die Frage ob „ja“ oder „nein“ zur Diskussion (diese Entscheidung muss der Rat am 28.9.2023 treffen), dennoch wurde das Bad für den politischen Schlagabtausch genutzt.

Und zur Suche nach der Antwort auf die Frage, ob Rinteln sich dieses Projekt überhaupt leisten kann. Grund war ein (schlussendlich abgelehnter) Antrag der Rintelner Interessen, die Sanierung auf die technisch notwendigen Maßnahmen zu begrenzen. Tenor der Sachdarstellung, die das Planungsbüro Constrata erarbeitet hat: Die geplanten Arbeiten sind bereits das Minimum, darunter geht es nicht.

Gleich zu Beginn erinnerte Antragsteller Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser (RI) an den soeben mitgeteilten Schuldenstand der Stadt Rinteln in Höhe von 27 Millionen Euro: „Da kommen dann noch 16 Millionen obendrauf. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die Infrastruktur in Rinteln marode ist.“ Die Heizung in der Kita „Wichtelburg“ sei kaputt, der Fahrstuhl aus den 70er Jahren im Rathaus ebenso, die Straßen im Industriegebiet könne man als Teststrecken für Mercedes-Geländewagen nutzen, die Bürgersteige bis Möllenbeck seien zugewachsen und der Kita-Abriss samt Neubau in Krankenhagen für 5,6 Millionen sowie das neue Feuerwehr-Logistikzentrum standen ebenfalls auf seiner Liste.

Nichtöffentliche „Giftlisten“ und drohende Handlungsunfähigkeit

Gleichzeitig würden im nichtöffentlichen Teil des Finanzausschusses „streng vertrauliche Giftlisten“ mit Einsparbedarfen diskutiert, kritisierte Neuhäuser: „Ich habe große Bedenken, dass wir Rinteln angesichts der Investitionen in eine Situation bringen, wo wir irgendwann nur noch den Mangel verwalten.“ Die Stellungnahme der Fachplaner sei nicht verwunderlich, da diese schließlich nach der Bausumme prozentual am Projekt beteiligt würden. Das Risiko einer finanziellen Handlungsunfähigkeit, die ebenfalls nichtöffentlich im Finanzausschuss diskutiert würde, sei ihm zu groß und die Gefahr, das Hallenbad irgendwann einmal schließen zu müssen, sei real, aber ein Risiko, sagte der RI-Fraktionschef.

Kritik an der Kritik kam aus den Reihen der SPD. Carsten Ruhnau wunderte sich über die jahrelang bekannte Planung für eine Sanierung nach Vorgaben der Stadt. Resultat sei eben kein Spaßbad sondern der Erhalt. Wenn er sich die Situation vor Ort angesehen hätte, so Ruhau zu Neuhäuser, dann wüsste dieser, dass es keine Einsparmöglichkeiten mehr gebe und im Falle der Nichtsanierung nicht die Frage im Raum stehe, ob eine Schließung drohe, sondern dass dies „in sehr naher Zukunft“ der Fall sein werde. Daher müsse man sich die Frage stellen: „Schließen wir dieses Hallenbad oder sanieren und erhalten wir es und können wir uns das leisten?“ Man werde sicherlich „andere Dinge hinten anstellen“ müssen oder es langsamer angehen lassen. Die jährliche Belastung sei ungefähr so groß wie zu jener Zeit, als das Bad noch Besitz des Landkreises war, so Ruhnau. Ein Hallenbad in Rinteln sei wichtig für die Gesundheit der Bevölkerung und Schwimmfähigkeit der Kinder, argumentierte er.

Rauch: „Party ist gelaufen“

Veit Rauch (CDU) merkte an, zusammenfassend sei „die Party gelaufen“. Laut Angaben des Stadtkämmerers werde man mittelfristig bis 2026 keinen ausgeglichenen Ergebnishaushalt haben. Zu den 455.000 Euro an jährlicher Tilgung plus Zinsen kämen noch 5 Millionen als Kapitalzuweisung „aus dem Stadtsäckel an die Bäderbetriebe“, erinnerte er. Auf lange Sicht gesehen, werde sich die Stadt möglicherweise gar nichts mehr leisten können, da eine Haushaltssicherungsmaßanahme drohe, „ob nun mit einem Hallenbad oder ohne.“ Rauch bescheinigte der Stadtkasse ein „Ausgabeproblem“ – man gebe immer mehr Geld aus. Als „uncharmante Wahrheiten“ nannte Rauch 17 neue Stellen in der Verwaltung seit 2021 mit 850.000 Euro Gesamtkosten: „Wir haben 23 Millionen Personalkosten bei einem Haushalt von 54 Millionen Euro, über 40 Prozent. Wir leisten uns viele freiwillige Stellen, die wir mal überprüfen könnten.“ Das Hallenbad sei „unfassbar wichtig“ und ansonsten wäre es eine „Bauruine“. Daher: „Ganz anfassen oder gar nicht. Alles andere ist Makulatur.“ Einzelteile zu sanieren mache energetisch keinen Sinn.

„Reinen Wein einschenken“

Rauch plädierte gleichzeitig auch dafür, „den Bürgern mal reinen Wein“ einzuschenken. So „weitermachen wie bisher“ werde dazu führen, dass man die Einnahmen erhöhen müsse. Stichwort Gewerbesteuer und Grundsteuer, das gehe beim Bürger auch ins Geld. Oder, so Rauch, man müsse sich am Riemen reißen und sagen: „Das geht in dieser Qualität eben nicht mehr. Das ist auch nicht schlimm, aber wir drehen uns im Kreis und keiner mag es aussprechen.“ Der CDU-Fraktionsvorsitzende wollte schließlich vom Stadtkämmerer wissen, ob sich die Stadt die Hallenbadsanierung leisten könne, ohne in dieser Legislaturperiode in eine Haushaltssicherungsmaßnahme zu geraten oder nicht. Jörg Schmieding entgegnete, weder der künftige noch der nächste Haushalt werde ausgeglichen sein können. Es gebe noch Reserven vom letzten Jahr: „15 Millionen Euro, die werden durch schlechte Jahresergebnisse weiter aufgezehrt.“ Die Haushaltssicherung drohe dann, wenn von den Rücklagen nichts mehr übrig sei.

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Steuererhöhungen als Ausweg aus dem Finanzdilemma?

„Wir haben nicht explizit ein Ausgabeproblem“ widersprach Schmiedig der Argumentation aus dem Hause CDU, „wir haben erhebliche Ausgabesteigerungen durch Inflation und die kommenden Tarifabschlüsse, aber die Einnahmen sind nicht in dem Maße gestiegen.“ Er sehe „keine Ambitionen von Bund und Land, den Kommunen zu helfen“, so Schmieding weiter. Der „große Wurf“ sei durch Einsparungen bei Ausgaben nicht machbar, man müsse die Einnahmen steigern (Gemeint sind damit Steuererhöhungen. – Anm. d. Red.). Die Gewerbesteuer habe man seit fast zehn Jahren nicht angefasst und aufgrund des Finanzausgleichs in Niedersachsen wirke sich beispielswise eine Gewerbesteuererhöhung in Cuxhaven negativ auf die Kreisumlage aus: „Wir kriegen weniger Schlüsselzuweisungen, wir haben haben seit 2015 alleine 15 bis 20 Punkte an Gewerbesteuer verloren und jeder Punkt ist 40.000 Euro wert.“ Das gleiche gelte für die Grundsteuer und „wenn der Rat entscheidet, dass er dieses Rennen nicht mitmacht, dann geht das irgendwann schief.“

Ungewohnt versöhnliche Worte schlug Anthony-Robert Lee (Freie Wähler) an, der dafür warb, dass man sich „wie politisch üblich“ in der Mitte trifft. „Annähern statt auseinander dividieren“, so Lee, „wir wollen das Hallenbad mindestens behalten oder aber schön saniert“. Man habe eine Pandemie hinter sich, „davor ging es uns gut“, aber „wir nähen alles auf Kante, keine Reserven“. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer sehe er als Gewerbetreibender kritisch.

Neuhäuser nahm noch einmal Anlauf. Es sei absehbar, dass man mit „dem Kopf gegen die Wand knallen“ werde und wenn man beim Hallenbad die gleiche Risikoanalyse wie beim schlimmsten Hochwasser am Deich um die Kläranlage ansetzen würde, „dann gibt es das Hallenbad in seiner geplanten Form nicht“. Natürlich plane man die Sanierung seit Jahren, doch man habe auch „Weser erleben seit Jahren geplant und dann die Reißleine gezogen“: „Vielleicht haben Entwicklungen auch mal die Planung überholt.“ Irritiert zeigte sich Neuhäuser, dass man das Hallenbad zwar vor sechs Jahren übernommen habe und die Einsparung der Kreisumlage nicht für spätere Sanierungszwecke aufgehoben habe. Stattdessen habe man die Steuergelder für „Schirme, Lastenfahrräder“ und eine „mal eben ausgeschriebene Stelle für einen hauptbeamtlichen Fahrradbeauftragten“ verwendet. „Das wird nach hinten losgehen“, mahnte Neuhäuser.

Wilkening: „Sanieren oder schließen“

„Hopp oder top, entweder sanieren oder Schlüssel umdrehen“, forderte Sven Wilkening (FDP) und sprach aus, was viele wohl gern vermieden hätten: Relevante Einsparmöglichkeiten seien nicht vorhanden und wenn man der Haushaltssicherung ausweichen möchte, müsse man definitiv als Konsequenz die Steuern erhöhen.

Bürgermeisterin Andrea Lange hakte ein, das Szenario (einer Haushaltssicherung – Anm. d. Red.) liege nicht einzig und allein am Hallenbad, das Bad sei „ein Baustein von vielen Projekten“, es läge allerdings nicht allein daran.

Schließung: Schüler und Arbeitsplätze betroffen

Also doch keine Sanierung? Bäderbetriebe-Geschäftsführer Ulrich Karl stellte die Kostenberechnung aus dem Finanzausschuss vor und wagte eine Prognose: „Ohne Sanierung werden wird das Hallenbad dann in den nächsten ein oder zwei Jahren schließen müssen. Entweder das Gesundheitsamt, der Brandschutz oder die Technik steigt einfach aus. Und dann ist es unvorhergesehen, dass wir schließen. Sie fahren dann jeden Schüler nach Steinbergen zum Hallenbad oder kämpfen mit anderen Schwimmbädern in der Region um Schwimmzeiten und den Lehrplan sicherzustellen.“ Weiter hängen 15 Arbeitsplätze am Hallenbad, die würden nicht weiter beschäftigt, bis auf einzelne Schwimmkurse bei schönem Wetter am Freibad oder in Steinbergen, wo rund 22 Prozent der Wasserfläche zur Verfügung stünden: „Es wird dann sportlich, den Schwimmunterricht aufrecht zu erhalten.“ (vu)

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