Durch die Corona-Krise sind inzwischen kurz- bis mittelfristig landesweit sämtliche Veranstaltungen abgesagt. Auch die Rintelner Maimesse ist in diesem Jahr davon betroffen. Schaustellersprecher Marlon Klaasen beobachtet die Entwicklung mit großer Sorge und wendet sich mit einer Presseerklärung an die Öffentlichkeit: „Die Corona-Krise trifft uns Schausteller in Deutschland mit besonderer Härte, da wir seit den Weihnachtsmärkten 2019 ohne jegliches Einkommen sind. Tausende von Familienbetrieben und damit auch die Volksfestkultur Deutschlands sind in ihrer Existenz bedroht.“
Mit großer Sorge würden Schausteller täglich Nachrichten erhalten, dass Städte angesichts der Corona-Situation in Deutschland erwägen, beliebte Volksfeste vorsorglich abzusagen um einer weiteren Verbreitung des Virus zu vermeiden.
Klaasen: „Absage eines Volksfestes darf nur letztes Mittel sein“
„Selbstverständlich steht die Gesundheit an erster Stelle, auch für die Schausteller der Rintelner Messe. Ich als Schaustellervertreter warne jedoch vor übereilten Absagen von Veranstaltungen. Die Absage eines Volksfestes darf nur das letzte Mittel sein und setzt sorgfältigste Abwägung voraus. So darf es nicht sein, dass Volksfeste in der aktuell angespannten Lage in vorauseilendem Gehorsam schon für die Zeiträume Mai, Juni, Juli oder gar später abgesagt werden. Wir müssen unbedingt die Gelegenheit haben, unverzüglich nach der Normalisierung der Verhältnisse wieder die Feste beschicken zu können – wir müssen Geld verdienen“, so Klaasen. Auch die Bevölkerung, ist sich Klaasen sicher, werde „nach Wochen und Monaten der Krise und Beschneidung sozialer Kontakte, Verängstigung und Isolation nach Rückkehr zur Normalität sehnen.“
Weiter führt der Schausteller aus: „Die Menschen wollen wieder unbeschwert lachen, wollen fröhlich und zuversichtlich sein, wieder gemeinsam Zeit verbringen. Kein Ort ist dafür besser geeignet als eine bunte Kirmes, ein Volksfest oder ein Jahrmarkt. Volksfeste vorauseilend Abzusagen wäre ein deprimierendes, entmutigendes und bitteres Zeichen für uns alle!“
„Deutschland ist das Land der Volksfeste und Kirmesplätze. Über 5.000 Schaustellerbetriebe sind in der Bundesrepublik zu verzeichnen. Diese beschäftigen insgesamt rund 45.700 Mitarbeiter bundesweit. Mit über 11.500 Volksfesten ist Deutschland im europäischen Vergleich Nummer Eins.“
„Wir Schausteller nehmen die Empfehlung des Bundesgesundheitsministers und die Anordnungen einiger Landesregierungen, Veranstaltungen abzusagen, zur Kenntnis. Sofern von diesen Absagen auch Volksfeste betroffen sind, bedeutet dies für die Schausteller jedoch einen existenzbedrohenden Totalausfall. Diese Entscheidungen betreffen nicht, wie auf politischer Ebene relativiert wird, nur das Freizeitverhalten, sondern bedrohen ganz konkret Tausende von Arbeitsplätzen und Unternehmen“, ist sich Klaasen sicher.
Nicht nur das: Durch die enge Verflechtung mit anderen Firmen seien auch Zulieferer, Lebensmittelhändler sowie Hersteller, Getränkelieferanten, Brauereien, Hersteller von Fahrgeschäften, Fahrzeugbauer sowie die dortigen Zulieferer für Metalle, Elektrik und Hydraulik stark betroffen.
„Absage der Rintelner Messe ist wie ein Schlag ins Gesicht“
„Die kürzliche Absage der Rintelner Messe, ist für mich als Schausteller und zugleich Rintelner Bürger wie ein Schlag ins Gesicht. Ich bin in Rinteln geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Ich kenne die Messe von Kindesbeinen an und bin zutiefst erschüttert. Solange ich denken kann, findet zum ersten Mal eine traditionelle Rintelner Messe nicht statt“, zeigt sich Klaasen betroffen. Die Zusage der Rintelner Verwaltung, den Standbetreibern alle Standgebühren zu erstatten, werde seitens der Schausteller als sehr entgegenkommend gewertet.
Als Interessenvertreter der Schausteller haber er bis zuletzt zu diesem Thema in Kontakt mit dem Rathaus gestanden, sagt Klaasen: „Der Erlass des Landkreises war zunächst unbefristet und die Stadt Rinteln sah zu diesem Zeitpunkt noch keinen Grund zur Totalabsage der Messe. Dann aber wurde der Erlass verschärft indem verfügt wurde, grundsätzlich alle Veranstaltungen bis einschließlich 3. Mai 2020 abzusagen. Somit wurde es sprichwörtlich „traurige Gewissheit“, dass auch unsere geliebte Messe nicht stattfindet. Ich habe am Mittwoch meinen Betrieb eingestellt und die Saisonarbeiter nachhause geschickt. Wir verfügen derweil über einen gewissen Personal-Stamm da wir nun parallel noch mit der Ausgestaltung des Weserangers beschäftigt sind. Auch dort müssen wir einen Krisenplan ausarbeiten und Einschränkungen vornehmen.“
Schausteller seien Familienbetriebe, wie man es häufig aus der Land und Forstwirtschaft kenne. Da man fortan keinerlei Wertschöpfung mehr generieren könne, gleiche es momentan einem Berufsverbot. „Obwohl die Bundesregierung mit einer entschlossenen Wirtschafts- und Finanzpolitik wirbt, sehe ich mich zur Zeit noch nicht in einem von der Bundesregierung zugesagten Förder- oder Konjunkturprogramm. Dies liegt wohlmöglich daran, das ich immer selber für mein Geld arbeiten musste.“
Derweil hofft Klaasen auf bessere Zeiten, in denen Schausteller den Menschen wieder Freude bereiten könnten und mahnt: „Für alle diese Familienbetriebe gilt, dass sie ausschließlich auf Volksfesten und Weihnachtsmärkten ihr Geld verdienen können, Volksfeste aber auch nur durch sie beschickt werden können. Wenn es diese Betriebe nicht mehr gibt, wird es keine Volksfeste mehr geben. Eine 1200-jährige Kultur steht auf dem Spiel!“
Es gebe viele Familienbetriebe im Schaustellergewerbe, die bereits jetzt schon kurz vor dem Aus stünden und auf Hilfe angewiesen seien. Nach einer langen Durststrecke zwischen Weihnachtsmarkt und Saisonbeginn liefen bei Schaustellern sehr viele Zahlungsverpflichtungen zusammen, so Klaasen weiter: „Der Deutsche Schaustellerbund hat sich bereits im Februar an alle Ministerpräsidenten, Innen- und Wirtschaftsminister der 16 Bundesländer und an die Bundesregierung gewandt und Soforthilfepakete für genau diese Fälle angemahnt. Koalitionsausschuss und Bundesregierung haben am Wochenende getagt und werden in den nächsten Tagen Gesetze und Programme zur Linderung der Not in besonders betroffenen Branchen verabschieden. Die von Bund und Ländern in Aussicht gestellten Liquiditätshilfen sind dringend erforderlich und bleiben somit abzuwarten.“