Als der Rintelner Kinderarzt Paul Boelitz den Nachlass seiner Eltern in Wesel in Augenschein nahm, entdeckte er eine Art historisches Buch in Packpapier gehüllt. Die Schrift war sehr sauber ausgeführt, der Inhalt schien rätselhaft. Durch den guten Kontakt zum Museumsleiter Dr. Stefan Meyer war für Boelitz klar: Diese Schriften sollte sich der Historiker und Experte einmal genauer ansehen. Meyer fand Spuren, die auf die polnische Stadt Stettin hindeuteten, ohne allerdings den Namen der Stadt selbst in den Schriften wiederzufinden. Die Kontaktaufnahme mit der dortigen Stadtverwaltung verlief ergebnislos, so Meyer, also entschied man sich für ein Abfotografieren der Seiten im eigenen Haus durch die ehrenamtliche Mitarbeiterin Helge Heinke-Nülle.
Eine Bestandsaufnahme der Digitalfotos durch die Universitätbibliothek Greifswald führte zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem 68-seitigen Werk um ein rund 450 Jahre altes, gerichtliches Stadtbuch mit Grundbucheinträgen und Protokollen aus der polnischen Stadt Stettin handelte. Es ist laut Analyse in einer „sehr sauber ausgeformten Kurrentschrift von mehreren Schreibern ausgeführt worden, in niederdeutscher Sprache verfasst und auf die Jahre 1556 bis 1566 datiert. Der Inhalt betrifft Vermögenstransaktionen vor dem Stettiner Stadtgericht.“ An zwei Stellen seien zudem Bearbeitungsspuren von 1858 und 1876 zu sehen. Die äußeren Blätter sind stark verschmutzt, beschädigt und durch Risse und Fehlstellen gezeichnet. Die innen liegenden Seiten zeigen sich in einem äußerlich guten Zustand. „Die Handschrift ist geheftet und war ursprünglich auf Bünde gelegt, von denen einer noch fragmentarisch erhalten ist“, so lautet die Einschätzung. Daran sei ein spätmittelalterliches, pergamentenes Handschriftenfragment befestigt, eventuell wurde dieser Streifen zum Einhängen des Blocks in den Handschriftenrücken verwendet. Da der größte Teil des Stettiner Stadtarchivs im zweiten Weltkrieg zerstört wurde, haben diese Dokumente für die Stadtgeschichte einen besonderen historischen Seltenheitswert. Wie sie in den Familienbesitz gelangten, ist laut Boelitz nicht bekannt.
Nachdem die Analyse der Schriftstücke im Rintelner Museum abgeschlossen ist, gab Musemsleiter Dr. Meyer sie jetzt wieder an ihren Besitzer zurück. Dieser hat sich entschlossen, die Dokumente an die Universitätsbibliothek Greifswald zu spenden. Dort werden weitere Untersuchungen sowie eine Restauration vorgenommen um so noch mehr Informationen zur Stadtgeschichte Stettins zu gewinnen.