(Rinteln) Auf die Bekanntmachung, dass die Baulücke in der Rintelner Innenstadt, direkt am südlichen Ende der Fußgängerzone, wohl noch auf längere Zeit erhalten bleiben wird, reagierten Leser überwiegend mit Kritik – auch im sozialen Netzwerk „Facebook“ wurde nicht mit kritischen Kommentaren gespart.
Doch auch in den Reihen der Rintelner Politik wächst der Unmut über den „Status Quo“, den jetzigen Zustand, der anstelle des geplanten Gebäudekomplexes mit Dialysezentrum und Seniorenwohnungen an der Ecke Klosterstraße und Kahlergasse zu sehen ist. Wir haben alle Fraktionen um eine Stellungnahme gebeten.
Rintelner Grüne wollen Begrünung der Brachfläche – vorübergehend
Die Grünen haben daraufhin beantragt, die Stadt solle ein sogenanntes „Begrünungsgebot“ für die brachliegende Fläche veranlassen. Vor drei Jahren habe der Investor IMMAC ein „vermeintliches Stück Stadtentwicklung voranbringen wollen“, so Grünen-Fraktionsvorsitzende Uta Fahrenkamp. Mitte diesen Jahres hätte das Gebäude bezugsfertig sein sollen. „Das ernüchternde Resultat sollen wir als Bürgerinnen und Bürger nun weiterhin mit Verständnis und Langmut hinnehmen“, so Fahrenkamp weiter. Bereits der Abriss zweier Stadtbildprägender Gebäude sei aus historisch städtebaulicher Sicht für die Grünen bereits in den Anfängen der Planung nicht akzeptabel gewesen, darauf habe man mit zahlreichen Stellungnahmen hingewiesen. Kritik übten die Grünen auch in Sachen Verkehrsbelastung für die Zufahrt zur Fußgängerzone und die umliegenden Straßen.
Um wenigstens in kleinem Maße die entstandene Vernichtung sogenannter „grauer Energie“ und somit den CO2-Ausstoß zumindest etwas zu kompensieren, fordern die Grünen jetzt eine übergangsweise Bauflächenbegrünung im öffentlich einsehbaren Raum. Damit könnten zeitlich begrenzt positive Effekte wie Verbesserung des Kleinklimas, Abkühlung bei längeren Hitzephasen und auch ein Angebot an insektenfreundlichen Pflanzen erzielt werden. Grundsätzlich habe der Bauvorhabenträger, also der Investor, eine „gewisse Verantwortung und Verpflichtung“ gegenüber den Bürgern. Jedes Bauvorhaben wirke langfristig, nicht nur ästhetisch, in den öffentlichen Raum. Deshalb bekräftigen die Grünen für die sehr prominente Fläche für die Zeit des Stillstands eine „temporäre Begrünung nach einem ökologisch sinnvollen Konzept.“
Rintelner Interessen sagen Baulücke „auf Dauer“ voraus
Als „Tragische Folgen einer verfehlten Baupolitik für die Rintelner Innenstadt“ bewertet der RI-Fraktionsvorsitzende Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser das Handeln der Verwaltung „beim geplatzten Großprojekt in der Rintelner Klosterstraße“, wie es in einer Pressemitteilung heißt.
„Wir haben von Anfang an gegen den vorschnellen Abriss der Schaumburger Zeitung und des Schefflerschen Hauses votiert, wir haben versucht, über ein beratendes Mitglied des Arbeitskreises Denkmalschutz der Verwaltung eine Sensibilität für die historische Bausubstanz zu vermitteln, und wir haben und gegen diesen Betonklotz am Beginn der Fußgängerzone gewehrt.“ Der Verwaltung habe der Abriss gar nicht schnell genug gehen können, so Neuhäuser. Jetzt sei hier diese riesige unansehnliche Baulücke, und „jetzt ist auch klar, dass sie auf Dauer bleiben wird“, so Neuhäusers Einschätzung.
„Noch in der vorletzten Ratssitzung hat Bürgermeisterin Lange auf unseren Antrag zum Erlass eines städtebaulichen Baugebots für das Grundstück ausgeführt, dass sie in Gesprächen und sicher sei, dass die Maßnahme zeitnah realisiert werde. Jetzt haben wir die städtebauliche Katastrophe, die auch darauf beruht, dass vorschnell der Abriss von stadtbildprägenden Gebäuden erlaubt wurde“, so Neuhäuser weiter, der es eigenen Angaben zufolge „für ein Komplettversagen der Verwaltung“ hält. Auch sei er es leid, „für jedes politische Versagen in Deutschland als Ausrede den Ukraine-Krieg zu hören“, wie er ausführt: „Demnächst ist Putin auch noch für die Schlaglöcher in Rintelner Straßen oder die durch die Ratsmehrheit anstehenden massiven Steuererhöhungen verantwortlich.“ Einziger Trost für die Fraktion Rintelner Interessen: „Städtebaulich wäre der Klotz mit 41 Wohnungen und Dialysepraxis sowie einer geplanten Auto-Zufahrt quer durch die Fußgängerzone ohnehin grauenhaft geworden.“
CDU/FDP/FW-Gruppe macht Politik in Berlin mitverantwortlich
„Die Gruppe CDU/FDP/FW bedauert das natürlich außerordentlich, denn die Baulücke ist sehr groß und präsent“, so CDU-Fraktionschef Veit Rauch auf Anfrage von Rinteln-Aktuell. Bauprojekte verschoben würden „landauf, landab verschoben oder stillgelegt“. Die Gründe seien laut Rauch „ausufernde Baukosten die zur Unwirtschaftlichkeit der Bauprojekte“ führten, „gepaart mit Zinssteigerungen am Kapitalmarkt“. Rauch zufolge sei „auch eine desolate und nicht mehr kalkulierbare Politik in Berlin“ dafür verantwortlich. Als Stichwort nennt er das „Gebäudeeneegiegesetz“ und dazu auch noch wegfallende Fördermittel. Die Bauwirtschaft werde „langfristig Schaden erleiden“, befürchtet Rauch, sollten sich die politischen Rahmenbedingungen nicht ändern. Die düstere Prognose von „RI“ teilt Rauch nicht. Man müsse „feststellen, dass die IMMAC ein gut aufgestellter Investor ist und sicher weiter ernsthaft an die Umsetzung des Projektes denkt.“
Anthony Robert Lee (Freie Wähler) meldet sich ebenfalls mit einem Statement: „Typisch deutsch. Bevor man eine Lösung hat, schafft man Fakten. Wenn man so etwas als Privatperson machen würde, wäre die Hölle los.“ Lee zeigt sich eigenen Angaben fassungslos, „dass so etwas an einem für uns so wichtigen Standort möglich ist. Ein Skandal. Jeder andere müsste dort bauen.“ Anwohner und der Tourismus müssten unter diesem „Schandfleck“ leiden, so Lee.
Ärger und Zuversicht bei der SPD
Für die Rintelner SPD sei „die Bauverzögerung und damit die Verlängerung der Baulücke ist natürlich äußerst ärgerlich, wie die Fraktionsvorsitzende Astrid Teigeler-Tegtmeier mitteilt: „Die Kommunikation der IMMAC dazu hätten wir uns schon früher und damit transparenter gewünscht. Nicht nur ärgerlich, sondern auch besorgniserregend ist die dahinter stehende Tatsache, dass es zu den derzeitigen Bedingungen am Markt nicht möglich zu sein scheint, in Rinteln ein solches Projekt zu entwickeln.“
Grundsätzlich müsse es möglich sein, dass die Stadt weiter entwickelt wird. Dazu müssten Stadtverwaltung, Politik und private Investoren gemeinsam agieren, so Teigeler-Tegtmeier: „Hier gibt uns das klare Bekenntnis der IMMAC zum Bauvorhaben in Kombination mit der Unterstützung der Volksbank in Schaumburg und Nienburg, welche ja über fundierte Kenntnisse der lokalen Situation verfügt, Zuversicht, dass das Projekt auch tatsächlich umgesetzt wird.“ Carsten Ruhnau, Ratsherr und stellvertretender SPD-Ortsvereinsvorsitzender wird deutlich: „Ich erwarte, dass die IMMAC die Brachfläche in einen ansehnlicheren Zustand versetzt.“
Die nachfolgende Stellungnahme der WGS erreichte uns mit zeitlicher Verspätung. Wir reichen Sie daher nach:
WGS stellt klar: Investor kann nicht gezwungen werden
Auch Heinrich Sasse, Vorsitzender der WGS-Ratsfraktion, würde eine „Begrünung“ begrüßen: „Wenn der Investor eine vorübergehende Begrünung freiwillig macht, ist das begrüßenswert. Das würde den derzeitigen Anblick sicher verändern. Ob das dann tatsächlich eine Verschönerung wäre, bleibt abzuwarten.“ Sasse warnt allerdings vor zu viel Vorfreude in der Sache. Man werde den Investor nicht dazu zwingen können, daher sollte laut Sasse auch niemand versuchen, den Bürgern so etwas „vorzugaukeln“.
(vu)