Oft sind es bereits kleine Aktionen, die Opfern von Straftaten helfen können. In der Nähe bleiben, Details merken, sich als Zeuge der Polizei zur Verfügung stellen. Bei „Hinsehen, Handeln, Helfen“, dem Vortrag von Thomas Weishaupt (Leiter des Weissen Rings in Schaumburg) im Familienzentrum wurde schnell die Komplexität des Themas „Zivilcourage“ klar. Aber auch, wie einfach es ist, eben diese zu beweisen.
Einer Umfrage unter über 1.200 jungen Menschen im Alter von 12 bis 18 Jahren zufolge, würden sich 36 Prozent von ihnen zwar nicht einmischen, wenn sie Zeuge einer Streites würden – sie würden aber interessiert zusehen. Nur 3,6 Prozent gab an, aktiv eingreifen und die Streitenden auseinander bringen zu wollen. Dabei, so machte Weishaupt deutlich, komme es nicht darauf an, sich selbst prügelnd ins Getümmel zu stürzen (diese Art von Einmischung sollte tunlichst vermieden werden). Oft könne es dem Opfer helfen, einfach nur Präsenz zu zeigen. „Gerade wenn mehrere Menschen drum herum stehen“, erklärte Weishaupt das Phänomen, „würde sich oft auf den anderen verlassen, der würde ja schon was unternehmen.“ Statt dessen gelte es, aktiv Zeugen und Beteiligte anzusprechen („Sie mit der blauen Jacke und dem Schal, haben Sie das gesehen?“ – „Kommen Sie und helfen Sie mir“ – „Ich habe alles gesehen und rufe jetzt die Polizei“).
Die Eskalation von Gewalt findet demnach meist in vier Stufen statt. In der ersten, visuellen, Phase schätzt der Täter sein Opfer ein. Ist es „leichte Beute“, weil es nach außen den Eindruck von Ängstlichkeit vermittelt? Phase Zwei, die verbale Phase, dient dem Täter zum „ankoppeln“. Er spricht sein späteres Opfer an, versucht es anzupöbeln. „Wenn Sie hierauf eingehen und zurückpöbeln, setzen Sie die Eskalationsspirale in Gang“, warnt Weishaupt. In der nächsten Phase (sogenannte „territoriale Phase“) kommt der Täter auf sein Opfer zu. Hier gilt es, lautstark Grenzen zu setzen, Abstand zu halten („Stop!“ – „Halt oder ich rufe die Polizei!“). „Kommt es schlussendlich zu Phase Vier der Eskalation, der körperlichen Gewalt, ist es zu spät“, so Weishaupt, „ab hier haben Sie als Opfer allein und ohne Hilfe von Mitmenschen keine Chance“.
Doch was darf man im Rahmen von Zivilcourage tun? Und was, wenn dem couragierten Helfer materieller oder körperlicher Schaden zugefügt wird? Weishaupt dazu: „Von Gesetzes wegen darf man in so einem Fall den Täter auch festhalten, bis die Polizei kommt.“ Nicht jeder sieht sich dazu körperlich in der Lage, so eine Situation bedeutet Stress pur. Man solle sich jedoch niemals selbst in Gefahr bringen. Oft hilft auch der einfache Griff zum Handy um den Notruf zu wählen: 110, die Nummer funktioniert auch ohne SIM-Karte und ohne Guthaben auf dem Handykonto. Wird man beim Gerangel oder Handgemenge verletzt, kommen Kleidungstücke oder Wertgegenstände zu Schaden, ist man durch das deutsche Entschädigungsrecht versichert, erklärt Weishaupt. Wichtig sei es nur, bis zum Eintreffen der Polizei zu warten und sämtliche Vorfälle zu Protokoll bringen zu lassen.
„Ganz oft ist fehlendes Mitgefühl die Ursache für mangelnde Zivilcourage“, schließt Thomas Weishaupt den Vortrag, „viele denken dann ´lieber sehe ich weg, ich will ja keinen Ärger´oder wechseln die Straßenseite oder denken sich ´gut, dass mir das nicht passiert ist´. Dabei fängt das Thema Mitgefühl schon von klein auf in der Familie an. Hier muss früh angesetzt und ganz viel miteinander geredet werden. Wir brauchen Menschen, die sich engagieren. Die helfen, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.“ Oft sind es kleine Dinge, die im Nachhinein viel bewirken können.
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