(Rinteln) Das Radverkehrskonzept der Stadt Rinteln ist über 400 Seiten stark und beinhaltet rund 60 Maßnahmen, die zur Verbesserung der Situation rund um die Zweiradstrecken dienen sollen.
Jetzt wurden die Planungen durch Dipl.-Ing. Reiner Dargel von der Planungsgemeinschaft PGV aus Hannover im Bauausschuss vorgestellt.
An einer dreiwöchigen Online-Umfrage im Herbst 2020 nahmen 900 Personen teil und äußerten sich zu dem Thema Fahrradfahren in Rinteln. 770 Antworten waren auswertbar. Die Ergebnisse flossen ins Konzept ein. Rund die Hälfte der Befragten fährt täglich oder mehrfach pro Woche mit dem Rad, genau so viele pendeln damit zur Arbeit. 211 benutzen dafür ein E-Bike.
Häufigster Kritikpunkt dabei: Die fehlenden Radwege, gefolgt vom Verhalten der Kraftfahrer im Verkehr und der schlechte Zustand der Radwegverbindungen, sowie die unzureichende Breite. Das ist ein wesentlicher „Knackpunkt“, der bei der Präsentation deutlich wurde. Die Weserbrücke ist mit ihren 2,30 Meter breiten kombinierten Rad- und Fußwegen in vielerlei Hinsicht ein Problemfall. Zwar ist sie ein wichtiger Knotenpunkt für den Radverkehr als Nord-Süd-Achse, doch das Geländer ist für den Radverkehr eigentlich zu niedrig. Aus Gründen des Denkmalschutzes könne hier jedoch nicht angebaut werden.
Eine mögliche Lösung besteht in der seit 2010 bestehenden „Neuerung“ der Straßenverkehrsordnung, die in anderen Kommunen bereits frühzeitig umgesetzt wurde. Der Radverkehr soll innerorts möglichst im Mischverkehr geführt werden. Das bedeutet für Rinteln: Die Benutzungspflicht für Radwege aufheben, wo es geht, und die Radler auf der Straße fahren lassen. Aufgrund der besonderen Gegebenheiten auf der Weserbrücke habe die Straßenbauverwaltung dies in Kombination mit Tempo 30 auf der Weserbrücke nahegelegt.
Um den Radverkehr von dort in die Fußgängerzone oder nach links in die Mühlenstraße zu leiten, soll die Linksabbiegespur an der Ampel in eine Kombi-Spur für Fahrräder und Autos umgebaut und genutzt werden. Dies ist nur ein Beispiel von vielen.
Ein weiterer neuralgischer Punkt ist die Hartler Straße an der „Doktorsee“-Abzweigung. Die langgestreckte Kurve sei trotz Geschwindigkeitsbeschränkung und der Querungshilfe eine gefährliche Stelle, die gerade von Familien und größeren Radfahrer-Gruppen schlecht zu nutzen sei. Der Vorschlag hier: jeweils eine „Dunkelampel“ auf jeder Seite der Einmündung zum sicheren Überqueren der Landesstraße bei Bedarf.
Auch an anderen Stellen legt das umfangreiche Dokument den Finger in längst bekannte Wunden. Die Radwege: Oft zu schmal, unübersichtlich und der Schutzstreifen zur Fahrbahn längst nicht breit genug. Dann, wie in der Mindener Straße, taucht plötzlich ein Ampelmast mitten auf dem Radweg auf. Der Blumenwall: Mit drei Meter breitem Weg für eine gemeinsame, regelkonforme Nutzung von Rad- und Fußverkehr zu schmal.
Der Exter Weg: Eigentlich eine Vorzugsroute, doch der gemeinsame Seitenstreifen für Fußgänger und Radfahrer ist zu schmal, der Abstand zur Fahrbahn zu gering. An die Geschwindigkeitsbeschränkung von 50 km/h halten sich nicht alle. Im Kurvenbereich schneiden Autos diesen Bereich gerne. Hier, so der Experte, könnte man innerorts in Exten mit dem Instrument der „Fahrradstraße“ arbeiten und außerorts einen deutlich gekennzeichneten Schutzstreifen für Radfahrer aufbringen. Sorgen machte sich Bernd Kirchhoff (SPD): Was, wenn Autofahrer sich einen Weg über die Regetestraße, direkt an der Kita, suchen – um die Fahrradstraße zu umschiffen? Auf Fahrradstraßen müssen sich Autos unterordnen, Radler dürfen auch nebeneinander fahren. Generell, so Kirchhoff, würde auf dem Exter Weg viel Verkehr unterwegs sein, offenbar weil Navigationssysteme dies als schnellste Route in Richtung Nordstadt ausweisen. So führe eine Wegeempfehlung von Hohenrode zum Baumarkt in der Nordstadt nicht etwa über die Bundesstraße 238 (Ost-Umgehung), sondern durchs Exter Feld und die Innenstadt.
Mit Beleuchtung und Beschilderung sollen zudem an weiteren Stellen die Fahrradrouten ausgewiesen und gekennzeichnet werden, schlägt das Konzept vor. Beispiel Sassenberg´sche Kiesteiche. Der Weg entlang der Teiche ist für den Radverkehr gar nicht vorgesehen, wird aber eifrig als solcher genutzt. Das ließe sich ändern, so eine weitere autoarme Vorzugsroute vom Süden in Richtung Kernstadt schaffen. Auch aus dem Bereich Krankenhagen (Hinterm Lande, Röntgenstraße, Heisterbreite, Am Stumpfen Turm) soll die Erreichbarkeit mit Querungshilfen, Dunkelampeln und verschiedenen Maßnahmen verbessert werden.
Die Umgestaltung des Bahnhofs, ein Ereignis, das im Schnitt alle „40 bis 50 Jahre“ stattfinde, solle ebenfalls aktiv genutzt werden um die Anbindung aus dem Norden zu verbessern. So zum Beispiel mit dem Durchstich eines Personentunnels in Richtung Friedrichstraße und hochwertigen Abstellboxen für Fahrräder.
Das Konzept, so rechnete es Prof. Dr. Gert Armin Neuhäuser (RI) vor, würde bei Umsetzung aller Maßnahmen rund 2,2 Millionen Euro kosten. Bedenken gab es bei mehreren Ausschussmitgliedern in Detailfragen. Matthias Wehrung (CDU) zeigte sich skeptisch in Sachen Radfahrer auf der Weserbrücke, noch dazu in Verbindung mit der kombinierten Linksabbiegespur in Richtung Mühlenstraße. Vielmehr könnten die Maßnahmen dazu führen, dass sich wieder mehr Menschen ins Auto setzen würden, statt sich zwischen Bussen und LKW in den Verkehr zu wagen. Ein Punkt in dem sich auch Gunnar Dubiel (ebenfalls CDU) besorgt zeigte, in dem Uta Fahrenkamp (Grüne) allerdings optimistische Töne anschlug: Die Gleichrangigkeit von KFZ- und Radverkehr sei überfällig, Tempo 30 auf der Brücke und Radfahrer auf der Straße würden dazu beitragen, den Verkehrsfluss zu verlangsamen. Sie plädierte dafür, die vorgeschlagenene Maßnahmen zügig anzugehen in der Hoffnung, dass vermehrt Verkehrsteilnehmer aufs Rad umsteigen.
Dieser Artikel stellt nur beispielhaft einen kleinen Auszug aus dem umfangreichen Maßnahmenkatalog dar. Das gesamte Radverkehrskonzept ist im Ratsinfosystem der Stadt Rinteln unter folgendem Link einsehbar: KLICK
Hier geht es zu dem Maßnahmenkatalog: KLICK,