(Rinteln) Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis kann man am Beispiel der Nachrüstung von corona-gerechten, stationären Luftfilteranlagen für Rintelner Grundschulen gut erklären:
In der Theorie hätte es dafür über 2,5 Millionen Euro an Fördergeldern gegeben. Rund 2 Millionen wären von der Stadt Rinteln zu bezahlen gewesen. In der Praxis ist das Programm in der festgelegten Kürze der Zeit allerdings nicht umsetzbar.
Die Diskussion um sogenannte, stationäre, raumlufttechnische Anlagen (RLT) wird bereits seit langer Zeit geführt. Im Juni 2021 beschloss der Rat, ein Konzept zu erarbeiten und die Förderung zu beantragen. Diese wurde für alle sechs Standorte bewilligt. In einem europaweiten, zweistufigen Vergabeverfahren wurden zunächst die Planungsleistungen für die Fachplaner ausgeschrieben. In Stufe Eins haben drei Planungsbüros ein Angebot abgegeben, in Stufe Zwei sagten alle drei ab. Der Grund laut Verwaltung: Die kurze Angebots- und Ausführungsfrist und die Marktsituation.
Elf direkt angefragte Planungsbüros und keine einzige Rückmeldung
Eine Direktbeauftragung, in Rücksprache mit dem Landkreis Schaumburg im Mai diesen Jahres durchgeführt, ergab: Von elf angefragten Fachplanern kam kein einziges Angebot zurück.
„Die Umsetzung der Maßnahmen innerhalb der vorgegebenen Fristen der Förderrichtlinie war von Beginn an kritisch zu sehen“, schreibt die Stadtverwaltung dazu in den Beschlussunterlagen für die jüngste Sitzung des Bauausschusses. Schon bei Beantragung der Fördermittel sei abzusehen gewesen, dass die Zeiträume zu gering bemessen seien und die Umsetzung nur über eine Verlängerung der Förderzeiträume möglich gewesen wäre.
Da der Zeitraum aufgrund des Mangels an Fachplanern und der hohen Auslastung in Kombination mit der Materialknappheit erkennbar zu knapp war, habe man parallel zur Ausschreibung um eine Fristverlängerung bis zum 31.10.2024 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle gebeten. Das zuständige Amt habe allerdings nur eine Verlängerung bis zum 9.6.2023 bewilligen wollen. Eine nochmalige Verlängerung sei „mangelns verfügbarer Haushaltsmittel“ aller Voraussicht nicht möglich gewesen.
Förderbedingungen und Fristen nicht einzuhalten, Planungsbüros ausgelastet: Projekt fällt ins Wasser
Die Verwaltung spart nicht mit Kritik an den Rahmenbedigungen: „Die durch das Förderprogramm (..) vorgegebenen und einzuhaltenden Ausführungszeiträume entsprechen in keinster Weise den erforderlichen notwenigen Zeiträumen für die die Umsetzung der Maßnahmen aufgrund der zeitintensiven Vergabeverfahren der Planungsleistungen und Baumaßnahmen sowie die Umsetzungszeiträume für die Baumaßnahmen selbst.“ Erschwerend kämen die aktuellen Probleme am Markt, Lieferengpässe und die hohe Auslastung der Handwerksbetriebe.
Als Kompromiss, der auch im Bauausschuss Zustimmung fand, schlägt die Verwaltung vor, die Schulgebäude als Gesamtobjekte und im Hinblick auf Energieeffizienz, Energieeinsparung, Solarthermie, PV-Anlagen, moderner Heizung und auch Lüftungsanlagen zu betrachten, da diese Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden müssen. Hier sollen Entwicklungsmöglichkeiten der Rintelner Grundschulen erarbeitet und priorisiert werden und – auch im Hinblick auf die Raumluftreinigung durch mögliche Filter – in den zuständigen Gremien vorgelegt werden.
Stattdessen: Grundschulen als Gesamtobjekte betrachten und Gebäude für Gebäude sanieren
Beispielsweise könne eine Heizungsanlage kleiner ausgelegt werden, wenn die Dämmung erhöht und Fenster und Türen ausgetauscht würden. Konzepte zur Förderung für Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen können in die Planung einfließen. Diese bereits beauftragten Konzepte sollen für die drei großen Grundschulstandorte Rinteln-Nord, Exten und Deckbergen erstellt werden. Eine Förderzusage über 90 Prozent der Kosten von insgesamt 72.000 Euro ist bereits erteilt. Für die Stadt Rinteln verbleibt ein Eigenanteil von zehn Prozent.
Da durch das Scheitern des Lüftungsanlagen-Projekts eine Haushaltsermächtigung in Höhe von fast 2 Millionen Euro verbleibt, soll diese unter anderem zur Deckung von Bau- und Materialkostensteigerungen genutzt werden, schlägt die Verwaltung vor. (vu, pr)